Angélique - Hochzeit wider Willen
zum ersten Mal ihr Handgelenk, um sie zurückzuhalten.
»Eure Miene verrät mir, dass Ihr eine Frage habt, kleine Dame. Worum geht es?«
Sie konnte sich ihm nicht entziehen.
»Diese Inseln, von denen Ihr spracht... Wo mögen sie wohl liegen?«
»Die Kassiteriden oder Zinninseln? … Vor der englischen Küste. Doch sie sind sehr klein, und ich würde wetten, dass der Lord Protector, Oliver Cromwell, selbst nichts von ihnen weiß. In der Antike brachten kühne Seefahrer das Zinn hierher, und die Einwohner, die damals Iberer hießen, fertigten in ihren unterirdischen Schmieden Waffen daraus an. Ich liebe solche versteckten Orte voller verborgener Schätze. Die Inseln sind winzig, doch groß genug für mich, und sie verfügen über viele Reichtümer.«
Er senkte die Stimme.
»Eine ausgezeichnete Ladung für unsere kleinen Maultiere,
die auf den Kais von Saint-Malo warten… Das ist ein Geheimnis!«, fügte er hinzu, als er sah, wie vor ihrem inneren Auge Bilder aufblitzten.
»Aber Ihr verratet es mir!«
»Weil Ihr selbst mein Geheimnis seid.«
Damit wandte er sich ab und widmete sich erneut ihren Gästen.
Eines Tages begab sich Angélique in die Galerie, die üblicherweise als Esszimmer diente, und stellte erstaunt fest, dass dort Stille herrschte und sie niemanden antraf.
Am Kopfende des Tisches war ein einziges Gedeck aufgelegt.
Clément Tonnel, der Haushofmeister, kam und erklärte ihr, der Herr Graf habe ihm aufgetragen, der Frau Gräfin mitzuteilen, er arbeite in seinem Laboratorium. Sie solle mit dem Mittagessen nicht auf ihn warten. Sie fühlte sich erleichtert, denn sie hatte sich daran gewöhnt, ihm nur in Anwesenheit zahlreicher Gäste zu begegnen.
Der Umstand, dass sie allein am Ende dieses riesigen Tisches saß, hinderte sie nicht daran, mit gutem Appetit zu essen. Clément Tonnel trug ihr auf, unterstützt von zwei jungen Burschen.
Als Angélique vom Tisch aufgestanden war, setzte sie sich an ihren Lieblinsplatz an einem der großen Fenster, die auf den Park hinausführten, und ließ sich ihren Handarbeitskorb bringen. Schon in ihren ersten Tagen hier hatte Angélique in ihren Räumen Nadeln, Woll- und Seidengarn, Stoffe und kostbare Gewebe vorgefunden, die ihr zur Verfügung standen, damit sie jede gewünschte Handarbeit anfertigen konnte. Sie hatte sich dafür entschieden, eine Schärpe zu sticken, wie man sie für einen
Edelmann, der in den Krieg zieht, fertigt, damit sie ihm Glück bringt.
Während sie an diesem Tag die Nadel führte, kreisten Angéliques Gedanken um die Worte, die der Haushofmeister gebraucht hatte, um ihr die Nachricht zu überbringen. Genau genommen hatte er gesagt, Monsieur le Comte habe sich zusammen mit dem Mauren Kouassi-Ba in den Räumen im rechten Gebäudeflügel eingeschlossen; dort, wo Monsieur seinen alchemistischen Forschungen nachzugehen pflege.
Ob ihr Eindruck nun richtig oder falsch war, sie meinte, aus der Art, wie der Haushofmeister das Wort »alchemistisch« ausgesprochen hatte, einen leisen Vorwurf herausgehört zu haben. Vielleicht auch einen an sie gerichteten verschwörerischen Unterton, der zu bedeuten schien: Wir aus dem Poitou glauben nicht an solche Hexereien ...
Das war sehr ungehörig von ihm!
Kaum war ihr dieser Gedanke gekommen, glaubte sie, dass sie sich etwas einbildete. Der Haushofmeister benahm sich nur ein wenig steif, wie es gewöhnlich seine Art war.
Sie zog weiter die Nadel durch den Stoff und unterhielt sich damit, sich den Edelmann vorzustellen, der in den Krieg zog und dem sie diese Schärpe schenken würde. Blond und lächelnd sah sie ihn vor sich, den armen Kerl, der drauf und dran war, sich zu Hackfleisch verarbeiten zu lassen, denn so hieß es in den Geschichten, wenn ein schöner Kampf beschrieben wurde.
Durch die erfolgreichen Empfänge, die der Graf im Palast der fröhlichen Wissenschaft veranstaltete, hatte die junge Frau Gefallen daran gefunden, sich um deren Ausrichtung zu kümmern. Man sah sie von den Küchen in die Bedienstetenräume laufen, wo die Schalen mit Obst und Desserts standen, vom Keller, wo sie die Weine auswählte, in die Fest- und Ballsäle
und auf die Terrassen, und stets folgten ihr ihre drei kleinen Mohren auf dem Fuße.
Sie hatte sich an ihre freundlichen, runden schwarzen Gesichter gewöhnt.
In Toulouse gab es viele maurische Sklaven, denn die Häfen Aigues-Mortes und Narbonne lagen am Mittelmeer, das ein Tummelplatz für Piraten war. So war es eine regelrechte Expedition,
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