Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Angélique - Hochzeit wider Willen

Titel: Angélique - Hochzeit wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
Vom Netzwerk:
Von
nun an wird man, statt die Dinge nach absoluten Prinzipien zu beurteilen wie früher, sich ein Urteil darüber bilden, indem man sie misst und Experimente dazu anstellt, um daraus anschließend mathematische Gesetze abzuleiten. Dafür sind wir Descartes zu Dank verpflichtet. Wie ist es möglich, dass Ihr, der Ihr vorgebt, den Sinn für die Realität zu besitzen, der den Menschen der Renaissance so teuer war, nicht für dieses System eintretet?«
    »Doch, das tue ich, glaubt mir, mein Freund. Ich bin davon überzeugt, dass die Wissenschaft ohne Descartes niemals in der Lage gewesen wäre, sich aus dem Sumpf der Torheiten zu erheben, unter dem sie während der letzten Jahrhunderte begraben gelegen hat. Aber ich werfe ihm vor, sich selbst gegenüber nicht kritisch genug gewesen zu sein. Seine Theorien stecken voller eklatanter Irrtümer. Da Ihr so davon überzeugt seid, will ich Euch jedoch nicht verstimmen.«
    »Ich bin aus Genf gekommen und habe verschneite Landschaften durchquert, um Eure Herausforderung bezüglich Descartes’ anzunehmen. Ich höre.«
    »Nehmen wir, wenn Ihr wollt, das Prinzip der Gravitation, das heißt der Anziehungskraft der Körper gegeneinander und, davon ausgehend, dem Fall eines Gegenstands zu Boden. Descartes behauptet, wenn ein Körper gegen einen anderen stoße, könne er diesem seine Bewegungsenergie nur mitteilen, wenn er eine größere Masse besitze als dieser. Demnach dürfte eine Kugel aus Kork, die gegen eine aus Gusseisen prallt, diese nicht verrücken können.«
    »Das ist doch offensichtlich. Und gestattet mir, Descartes’ Formel wiederzugeben: ›Die arithmetische Summe der in Bewegung befindlichen Teile des Universums bleibt stets konstant.‹«
     
    »Nein«, rief Joffrey de Peyrac aus und sprang so abrupt auf, dass Angélique zusammenschreckte. »Nein, das ist ein Fehlschluss,
und Descartes hat kein Experiment dazu durchgeführt. Um seinen Irrtum zu erkennen, hätte er nur mit einer Pistole eine Bleikugel auf einen festen Stoffball schießen müssen, die zwei Pfund mehr Gewicht als diese gehabt hätte. Die Stoffkugel wäre bewegt worden.«
     
    Bernalli sah den Grafen wie vom Donner gerührt an.
     
    »Ich gestehe, dass Ihr mich verwirrt. Aber ist Euer Beispiel auch gut gewählt? In diesem Experiment mit dem Pistolenschuss tritt vielleicht ein neues Element hinzu... Wie soll ich es nennen? Die Kraft, der Aufschlag...«
    »Ganz einfach das Moment der Geschwindigkeit, das aber nicht speziell auf das Schießen beschränkt ist. Dieses Element kommt jedes Mal ins Spiel, wenn ein Körper seine Position verändert. Das, was Descartes die Quantität der Bewegung nennt, ist in Wirklichkeit das Gesetz der Geschwindigkeit und keine arithmetische Addition der Dinge.«
    »Wenn nun aber Descartes’ Gesetz nicht stimmt, welches andere haltet Ihr für gültig?«
    »Das des Kopernikus, in dem er von der wechselseitigen Anziehung der Gegenstände spricht, jener unsichtbaren Kraft, die der des Magneten ähnelt und die man nicht messen, deren Existenz man aber auch nicht abstreiten kann.«
    Bernalli hatte eine Faust an den Mund gepresst und überlegte.
    »Ich habe darüber schon ein wenig nachgedacht und sogar mit Descartes darüber diskutiert, als ich ihm in Den Haag begegnet bin; vor seiner Abreise nach Schweden, wo er dann ja leider verstorben ist. Und wisst Ihr, was er mir geantwortet hat? Er hat mir erklärt, dieses Gesetz der Anziehung sei abzulehnen, denn es beinhalte ›etwas Okkultes‹ und erscheine daher a priori ketzerisch und suspekt.«

    Der Graf de Peyrac krümmte sich vor Lachen.
    »Descartes war ein Feigling und wollte in erster Linie die Pension von tausend Écus nicht gefährden, die Monsieur de Mazarin ihm ausgesetzt hatte. Er wird an den bedauernswerten Galileo gedacht haben, der, um der Folter und dem Scheiterhaufen der Inquisition zu entrinnen, seinen unbestreitbar wahren Entdeckungen abschwor, darunter seiner ›ketzerischen Aussage über die Bewegung der Erde‹. Es heißt, er habe sich, als er sich nach seinem demütigenden Widerruf erhob, nicht enthalten können, leise zu murmeln: ›Und sie bewegt sich doch!‹
    Und als Descartes in seiner Abhandlung über die Welt die Theorie des Polen Kopernikus De Revolutionibus Orbium Coelestium wieder aufnahm, hat er sich wohlweislich gehütet, zu behaupten, dass sich die Erde drehe, sondern er hat sich darauf beschränkt zu erklären: › Die Erde bewegt sich nicht, sondern wird von einem Wirbel davongetragen.‹ Ist das

Weitere Kostenlose Bücher