Angélique - Hochzeit wider Willen
Venezianer erneut an, »wenn ich mich auf jenes geheime Gebiet der Leidenschaft vorwage. Natürlich hat jedes menschliche Wesen, wenn es ihr begegnet, die Freiheit... das Recht... es sind so viele Bande, die uns fesseln...«
»Worauf wollt Ihr hinaus?«, fragte Joffreys Stimme.
»Ich meine, dass sich niemand über Eure Heirat getäuscht
hat, was viele Herzen beruhigt und viele Eifersüchtige getröstet hat. Ganz offensichtlich war diese Ehe von Eurer Seite aus ja nichts weiter als gleichsam die Allianz eines Monarchen mit einer ausländischen Prinzessin, um sein Herrschaftsgebiet zu vergrößern.«
»In der Tat! Und zwar noch weitaus mehr, als Ihr ahnt! Ein exzellentes Geschäft!«
»Joffrey, mein Freund, ich höre Zynismus aus Eurer Zustimmung heraus.«
»Findet Ihr? Ihr seid zu scharfsinnig und ein viel zu alter Freund, als dass ich bezüglich dieses Themas etwas vor Euch verbergen wollte, da es nun einmal Euer Interesse erweckt. Aber all das erklärt mir noch nicht, in welcher Hinsicht meine Heirat etwas Neues in den Palast der fröhlichen Wissenschaft getragen hat, das Euch Sorgen bereitet, und zwar so sehr, dass es Euch von meiner Wohnstätte fernhält.«
»Es ist eben der Gegenstand dieses Ereignisses. So bezaubernd die junge Dame auch sein mag. Und es will mir scheinen, dass etwas vorgefallen ist, das dazu geführt hat, dass sich dieser Gegenstand nicht an dem Platz befindet, der ihm bestimmt ist... zumindest durch den Brauch.«
»Oh! Aber selbstverständlich befindet er sich dort«, rief der Graf mit einem Auflachen aus, das ein wenig sardonisch klang.
In diesem Moment begriff Angélique mit Entsetzen, dass die beiden, diese Männer, vorhatten, in der Ruhe dieses müßigen Tages intime Meinungen und Geständnisse auszutauschen und nicht ahnten, dass sie belauscht wurden; dass sie VON IHR SPRECHEN WÜRDEN!
Sie fand sich im kühlen Halbdunkel ihres Zimmers wieder, ohne dass sie richtig bemerkt hatte, mit welcher Geschwindigkeit sie davongestoben und die Treppe hinuntergeeilt war.
Nein, so geht das einfach nicht, dachte sie und betrachtete ihre Hände, die sie vor sich ausstreckte, als stünde dort ein unwiderrufliches Urteil geschrieben.
Wenn sie nicht in der Lage war zu hören, was ihr Mann, der nichts von ihrer Anwesenheit ahnte, über sie sagen würde, was hatte das zu bedeuten?
Was genau fürchtete sie?
War er dieser Gilles de Retz, der in seinem Schloss lauerte und auf den richtigen Zeitpunkt wartete, sie als fügsame, willige Beute zu fangen?
Kurz bevor sie es erfahren hätte, war sie geflohen.
Nein! Sie wollte es nicht wissen. Noch nicht. Welche Wahrheit oder welche Lügen hätte sie gehört, wenn sie den Mut gehabt hätte, zu bleiben und dem Wortwechsel der beiden Männer zu lauschen? Ihr Herz pochte heftig. Wenn sie nicht die Kraft gehabt hatte, die Worte zu erfahren, die ihr die Wahrheit über diesen Mann sagen könnten, hieß das, dass sie bereits unter seinen Einfluss geraten, ihr Wille unter seiner Herrschaft zunichtegemacht worden war?
Das wird dich lehren, an Türen zu lauschen!, sagte sie sich düster.
Eines in den Überlegungen der Männer hatte sie ganz und gar scheußlich gefunden; nämlich die Stelle, an der einer von ihnen oder beide die Ratschläge dieses Machiavelli bezüglich des Zufalls beziehungsweise des Glücks zitiert hatten. Sie hatten gesagt, man müsse es mit einer Frau vergleichen und, um es zu erobern, erprobte Methoden einsetzen, es beispielsweise zunächst umschmeicheln und dann prügeln... Sie fühlte sich verletzt und verärgert; mochte es sich auch nur um eine gelehrte Diskussion über einen dieser unsäglichen Philosophen aus dem vergangenen Jahrhundert gehandelt haben.
Das hast du nun davon!, sagte sie sich tief gekränkt.
Nicht zum ersten Mal spürte sie den Drang, von hier zu fliehen.
Oft, wenn sie von unerträglicher Bangigkeit gepackt wurde, hatte sie schon daran gedacht, sich zu dem Lustschlösschen an der Garonne bringen zu lassen, in dem sie ihre erste Nacht hier verbracht hatte; als wolle sie die Endgültigkeit ihrer ausweglosen Lage nicht hinnehmen.
Doch heute fühlte sie sich nach dem Gespräch, das sie belauscht hatte, auf paradoxe Weise zurückgehalten, und zwar durch ihre Verpflichtung gegenüber diesem angenehmen Menschen, dem unglücklichen Fabricius Contarini, dem entweder durch seine Arbeit oder aus anderen Gründen überall der Tod drohte, die Gefahr, bei lebendigem Leibe verbrannt zu werden. Als Hausherrin konnte sie
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