Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Angélique - Hochzeit wider Willen

Titel: Angélique - Hochzeit wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
Vom Netzwerk:
nicht eine charmante Umschreibung?«
    »Ich sehe schon, dass Ihr gegen den armen Descartes eingenommen seid«, meinte der Genfer, »und doch betrachtet Ihr ihn als Genie.«
    »Großen Geistern verüble ich es doppelt, wenn sie sich schäbig verhalten. Descartes hat sich leider vor allem darum gesorgt, sein Leben zu retten und sein täglich Brot zu sichern, was ihm nur dank der Freigebigkeit der Mächtigen gelingen konnte. Meiner Meinung nach war er ein Genie der reinen Mathematik; doch dies gilt nicht unbedingt für die Gebiete der Dynamik und der allgemeinen Physik.«
     
    Bernalli starrte ihn verzückt an.
    »Dynamikos! Dynamikos«, wiederholte er mehrmals. »Vom griechischen Wort für ›Kraft‹. Das Griechische... Es gibt keine bessere Sprache als das Griechische, um für alles einen Ausdruck zu finden.«

    Der Graf de Peyrac betrachtete ihn lächelnd.
    »Kommen wir wieder auf unseren Descartes zurück. Ich wollte sagen, dass seine Experimente im Zusammenhang mit dem Fallgesetz der Körper doch sehr einfach sind, obschon er auch dazu tatsächlich Versuche angestellt hat. Um sie zu komplettieren, hätte er einen außerordentlichen Umstand berücksichtigen müssen, der für mich jedoch nicht unvorstellbar ist: Die Luft ist nämlich keineswegs leer.«
    »Was wollt Ihr damit sagen? Eure Paradoxa verwirren mich.«
    »Ich behaupte, dass die Luft um uns herum in Wahrheit ein Element von eigener Dichte ist; ganz ähnlich wie das Wasser, das die Fische atmen, und eine gewisse Elastizität und einen gewissen Widerstand besitzt. Kurz gesagt, sie ist ein Stoff, der zwar für unsere Augen unsichtbar, aber dennoch real ist.«
    »Ihr verwirrt mich«, sagte der Italiener noch einmal.
    Er stand auf und ging erregt einige Schritte durch den Raum. Dann blieb er stehen, klappte mehrmals den Mund auf und zu wie ein Fisch auf dem Trockenen, schüttelte den Kopf und nahm wieder Platz.
    »Ich fühle mich beinahe versucht, Euch für verrückt zu halten; und dennoch pflichtet ein Teil von mir Euch bei. Eure Theorie könnte meine Studie über die beweglichen Flüssigkeiten vollenden. Ah, ich bedaure nicht, diese gefährliche Reise unternommen zu haben, denn sie hat mir die ganz besondere Freude verschafft, mit einem großen Gelehrten sprechen zu können. Aber seid auf der Hut, mein Freund: Selbst mich schimpft man einen Ketzer, und ich war gezwungen, nach Genf ins Exil zu gehen, obwohl meine Worte nie so wagemutig waren wie Eure. Was wird dann erst Euch widerfahren?«
    »Pah!«, stieß der Graf aus, »ich versuche ja nicht, jemanden zu überzeugen; höchstens Menschen, die mit den Wissenschaften vertraut sind und mich verstehen. Ich hege ja nicht
einmal den Ehrgeiz, zu schreiben und das Ergebnis meiner Forschungen zu veröffentlichen. Nein, ich widme mich ihnen zu meinem Vergnügen, ebenso, wie ich Freude daran finde, mit liebenswürdigen Damen ein paar Lieder zu dichten. Ich lebe ganz friedlich in meinem Palast in Toulouse; wer sollte versuchen, mir zu schaden?«
    »Das Auge der Macht ist überall«, meinte Bernalli und warf desillusioniert einen Blick in die Runde.
     
    In diesem Moment hörte Angélique ein kaum hörbares Geräusch in ihrer Nähe, und ihr war, als hätte sich ein Türvorhang bewegt. Beklemmung stieg in ihr auf. Von diesem Augenblick an folgte sie dem Gespräch der beiden Männer nur noch mit halbem Ohr. Unwillkürlich richtete sie den Blick auf Joffrey de Peyracs Gesicht. Das abendliche Halbdunkel, das sich im Raum ausbreitete, kaschierte die entstellten Züge des Edelmanns, und sie sah nur noch seine schwarzen, leidenschaftlich blitzenden Augen und die weißen Zähne, die sein ungezwungenes Lächeln, das auch seine ernsten Worte begleitete, enthüllte. Angéliques Herz geriet in Aufruhr.
     
    Als Bernalli sich zurückgezogen hatte, um sich vor dem Essen frisch zu machen, schloss Angélique das Fenster.
    Diener stellten Kerzenleuchter auf die Tische, und eine Magd schürte das Feuer.
    Joffrey de Peyrac erhob sich und trat auf die Fensternische zu, in der seine Frau stand.
    »Ihr seid sehr schweigsam, meine Kleine. Freilich scheint das Eure Art zu sein. Seid Ihr etwa eingeschlafen, während Ihr unserem Gespräch gelauscht habt?«
    »Nein, im Gegenteil, es hat mich lebhaft interessiert«, erwiderte Angélique nachdenklich und wich zum ersten Mal dem Blick ihres Mannes nicht aus. »Ich will gar nicht so tun, als
hätte ich alles begriffen; aber ich gestehe Euch, dass ich mehr Gefallen an solchen Diskussionen finde als an

Weitere Kostenlose Bücher