Angélique - Hochzeit wider Willen
erfüllt war, als ein atemloser kleiner Mohr ihr mitteilte, Baron Benoît de Fontenac wolle sie und ihren Gatten begrüßen.
Der Erzbischof!
Seit dem Kurzbesuch, den er ihnen abgestattet hatte, als Fabricius Contarini bei ihnen zu Gast gewesen war, hatte er sich nicht mehr blicken lassen; und Fabricius’ Abreise lag schon lange zurück. Angélique hatte keine Ahnung, wohin er sich begeben hatte, um seine These über diesen abscheulichen Machiavelli weiterzuverfolgen. Nach Avignon, der Stadt der Flagellanten? Oder nach Utrecht? Denn diese kalvinistische Stadt in den Niederlanden hatte sich ihren katholischen Geist bewahrt, wodurch sich dort alle möglichen Ausgestoßenen wie zu Hause fühlten.
Viel Zeit war vergangen. Andere Gäste waren gekommen, darunter Bernalli, der sich kurz bei ihnen aufgehalten hatte, und es hatte eine ganze Reihe von Festen stattgefunden, wie man sie in den ersten Monaten des Jahres zu geben pflegte.
Der Vormittag war nicht die übliche Zeit für Besuche, da man diese eher in die kühlen Abendstunden verlegte. Seit dem Tag, an dem der Bischof gekommen war, um Fabricius missbilligend anzusehen, hatten sie ihn nicht mehr zu Gesicht bekommen.
Neugierig und vage besorgt nahm Angélique das Tuch ab, das
sie sich über ihr Kleid gebunden hatte, und eilte zurück, wobei sie sich das Haar aufschüttelte. Sie trug es der Mode entsprechend ziemlich lang, sodass die Locken auf ihren Spitzenkragen fielen.
Als sie die Eingangshalle erreichte, erblickte sie oben auf der Treppe die hochgewachsene Gestalt des Barons und Erzbischofs mit seiner violetten Robe und dem weißen Kragen.
Weiter unten, im Park, eilte lärmend Monseigneurs Eskorte umher – Lakaien mit dem Schwert an der Seite, seine Pagen und seine berittenen Edelleute -, um seine von sechs Braunen gezogene Karosse herum.
Wie es üblich war, sank Angélique auf die Knie, um seinen Hirtenring zu küssen; doch der Erzbischof zog sie hoch und küsste ihr seinerseits die Hand, um ihr durch diese weltliche Geste zu bedeuten, dass sein Besuch nicht offiziell war.
»Ich bitte Euch, Madame, macht mir durch Eure Ehrbezeugungen nicht allzu deutlich klar, welch alter Mann ich verglichen mit Eurer Jugend bin.«
»Monseigneur, ich wollte Euch nur den Respekt bezeugen, den ich gegenüber einem erlauchten Mann empfinde, der seine priesterliche Würde aus den Händen Seiner Heiligkeit des Papstes und Gottes selbst empfangen hat...«
Jedes Mal, wenn Angélique derartige Worte aussprach, sah sie unwillkürlich Mutter Sainte-Anne vor sich, die im Kloster gutes Benehmen unterrichtet hatte. Mutter Sainte-Anne wäre mit ihrer Schülerin zufrieden gewesen, obwohl diese damals ziemlich widerspenstig gewesen war.
Unterdessen nahm der Erzbischof Hut und Handschuhe ab und reichte sie einem jungen Geistlichen aus seinem Gefolge, den er dann mit einer Geste entließ.
»Meine Leute werden draußen auf mich warten. Ich würde mich gern ohne leichtfertige Ohren mit Euch unterhalten, Madame.«
Angélique warf dem jungen Mann, den er quasi der Neugier beschuldigt hatte, einen spöttischen Blick zu, woraufhin dieser errötete.
Im Salon ließ die junge Frau zunächst Erfrischungen kommen und bat den Bischof dann, ihren Gatten zu entschuldigen. Sie werde ihm Bescheid geben lassen. Ihr Gespräch verlief nach dem üblichen Höflichkeitsritual.
»Ich bedaure ebenfalls, Euch warten gelassen zu haben; ich befand mich in den Arbeitsräumen, wo ich die Herstellung unserer Liköre beaufsichtigt habe. Doch ich vergeude Eure Zeit, Monseigneur, indem ich Euch von solch unbedeutenden Dingen erzähle.«
»Nichts ist in den Augen unseres Herrn unbedeutend. Denkt nur an Martha, die Sorgende. Heutzutage erlebt man viel zu selten, dass eine adlige Dame sich um die Angelegenheiten ihres Haushalts kümmert. Und doch ist es die Hausherrin, die ihrer Dienerschaft Würde und fleißiges Tun vorlebt. Und wenn dann noch wie bei Euch, Gräfin, die Anmut der Maria Magdalena und die Verständigkeit der Martha zusammentreffen...«
Doch der Erzbischof wirkte zerstreut, und gesellschaftliches Geplauder schien nicht eine Kunstfertigkeit zu sein, an der er Gefallen fand. Trotz seines weltmännischen Auftretens und des offenen Blicks seiner blauen Augen, strahlte er etwas Argwöhnisches aus, das seine Gesprächspartner spürten. Joffrey hatte einmal angemerkt, der Erzbischof sei ein Mensch, der sich ausgezeichnet darauf verstehe, andere ins Unrecht zu setzen und, was noch
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