Angélique - Hochzeit wider Willen
der Poesie dieser Damen oder ihrer Pagen.«
Joffrey de Peyrac setzte einen Fuß auf die Stufe, die zur Fensternische führte, und beugte sich herab, um Angélique aufmerksam zu mustern.
»Ihr seid eine seltsame kleine Frau. Ich glaube, allmählich habt Ihr keine so große Scheu mehr vor mir, doch Ihr verblüfft mich immer wieder. Ich habe schon viele Arten der Verführung angewandt, um eine Frau, die ich begehrte, zu erobern; aber nie wäre ich darauf gekommen, mich der Mathematik zu bedienen.«
Angélique konnte nicht anders und musste lachen, während ihre Wangen erröteten. Ein wenig beschämt senkte sie den Blick auf ihre Handarbeit.
»Dann führt Ihr also in Eurem geheimnisvollen Laboratorium, das Kouassi-Ba so scharf bewacht, physikalische Experimente durch?«, fragte sie, um das Thema zu wechseln.
»Ja und nein. Ich besitze einige Messapparaturen; doch vor allem führe ich chemische Untersuchungen an Metallen durch, beispielsweise an Gold oder Silber.«
»Alchemie«, wiederholte Angélique aufgewühlt, und vor ihrem inneren Auge stieg ein Bild vom Schloss des Gilles de Retz auf. »Aber warum wollt Ihr immer noch mehr Gold und Silber?«, verlangte sie mit einem Mal ungestüm zu wissen. »Man möchte meinen, dass Ihr überall auf der Suche danach seid; nicht nur in Eurem Laboratorium, sondern auch in Spanien, in England und sogar in dieser kleinen Bleimine meiner Familie im Poitou... Und Molines hat mir verraten, dass Ihr auch noch eine Goldmine in den Pyrenäen Euer Eigen nennt. Wieso strebt Ihr nach so viel Gold?«
»Es braucht sehr viel Gold und Silber, um seine Freiheit zu wahren, Madame. ›Wenn man sich der Liebe hingeben will, darf man keine materiellen Sorgen haben‹, sagt ja auch Maître André de Chapelain zu Beginn seiner Schrift über die Kunst der Liebe.«
»Glaubt nur nicht, dass Ihr mich mit Geschenken und Reichtümern gewinnen könnt«, erwiderte Angélique heftig.
»Ich glaube gar nichts, meine Teure. Ich warte auf Euch, und ich seufze. Ein Liebender muss in Gegenwart seiner Geliebten erbleichen, heißt es. Ich erbleiche. Findet Ihr, dass ich nicht blass genug geworden bin? Sicher, ich weiß, dass man den Troubadouren empfiehlt, sich vor ihrer Dame auf die Knie zu werfen; aber da sträubt sich mein Bein. Ich bitte Euch, mich deswegen zu entschuldigen. Oh, seid versichert, dass ich wie Bernard de Ventadour, der göttliche Poet, sagen kann: ›Die Liebesqualen, denen mich diese schöne Frau, deren Sklave ich bin, aussetzt, werden mein Tod sein!‹ Ich sterbe, Madame!«
Lachend schüttelte Angélique den Kopf.
»Ich glaube Euch nicht. Ihr seht nicht aus, als würdet Ihr sterben... Ihr sperrt Euch entweder in Eurem Laboratorium ein, oder Ihr besucht die Stadthäuser der teuren Toulouser Damen, um ihnen bei ihren Dichtungen zu helfen.«
»Habe ich Euch etwa gefehlt, Madame?«
Ein Lächeln auf den Lippen, zögerte sie, denn sie wollte den leichten Plauderton wahren.
»Ich vermisse die Zerstreuungen, und Ihr seid die Zerstreuung und die Abwechslung in Person.«
Sie nahm ihre Handarbeit wieder auf.
Sie wusste nicht mehr, ob sie die Miene, mit der Joffrey de Peyrac sie betrachtete, liebte oder fürchtete, wenngleich solche Wortgeplänkel durch die gemeinsamen gesellschaftlichen
Auftritte und das Zusammenleben zwischen ihnen häufiger geworden waren. Seine Stimme verlor dann ihren ironischen Unterton, und sie hatte den Eindruck, dass die seltsame Macht, die ihn umgab, sie versengte. Sie fühlte sich nackt, und unter der Spitze ihres Mieders strafften sich ihre kleinen Brüste. Am liebsten hätte sie die Augen geschlossen.
Er nützt den Umstand aus, dass mein Argwohn nachgelassen hat, um einen Zauber über mich zu werfen, sagte sie sich an diesem Abend mit einem leisen Schauer aus Entsetzen und Lust.
Unter seiner einschmeichelnden Stimme bäumte sich Angélique auf wie ein bockiges Pferd. Schwindel erfasste sie, als sie sich daran erinnerte, was die Amme ihr im Vertrauen gesagt hatte: »Er zieht die jungen Frauen durch absonderliche Lieder an …«
Als Bernalli zurückkehrte, stand Angélique auf, um ihm entgegenzugehen. Dabei streifte sie den Grafen de Peyrac, und mit einem Mal bedauerte sie, dass er nicht die Hand ausstreckte, um sie um die Taille zu fassen.
Kapitel 7
A n diesem Tag wurden die ersten Liköre der Saison in Flaschen gefüllt. Doch kaum hatte Angélique die Küche betreten, die von einem Duft nach Orangen, Anis und aromatischen Gewürzen
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