Angélique - Hochzeit wider Willen
erschreckt mich.«
Der Erzbischof von Toulouse richtete von neuem seinen unangenehm durchdringenden Blick, der manchmal hart wie Stahl sein konnte, auf sie. Gemessen fuhr er fort.
»Ich zweifle nicht daran, dass Euer Gatte einer der größten Gelehrten unserer Zeit ist, und aus diesem Grunde glaube ich, Madame, dass er tatsächlich den Stein der Weisen entdeckt hat; also das Geheimnis, auf magische Weise Gold zu erzeugen, das einst Salomo kannte. Doch welchen Weg hat er eingeschlagen, um dies zu erreichen? Ich fürchte sehr, dass er diese Macht nur durch einen Handel mit dem Teufel erlangen konnte!«
Einmal mehr hielt sich Angélique den Fächer vor die Lippen, um nicht loszukichern. Sie hatte mit einer Anspielung auf den vom Grafen betriebenen Handel gerechnet, in den sie durch Molines und ihren Vater einigen Einblick bekommen hatte; und deswegen war sie ein wenig besorgt gewesen, denn sie wusste, dass solche Tätigkeiten für einen Edelmann einen Makel darstellten und möglicherweise sein Haus in Misskredit bringen konnten. Daher kam ihr der bizarre Vorwurf des Erzbischofs, von dem es hieß, er sei ein äußerst intelligenter Mann, außerordentlich komisch vor. War das wirklich sein Ernst?
Doch mit einem Mal schoss ihr der Gedanke durch den Kopf, dass Toulouse ja immer noch die französische Stadt war, die das Hauptquartier der Inquisition beherbergte. Die schreckliche Institution der Ketzertribunale, die im Mittelalter dazu geschaffen worden war, gegen die Albigenser oder Katharer zu kämpfen, die eine neue Religion propagierten, hatte in Toulouse noch immer eine Vorrangstellung, die nicht einmal der König anzutasten wagte.
Das heitere Toulouse war zugleich die rote Stadt, in der in den letzten hundert Jahren die meisten Hugenotten massakriert worden waren. Lange Zeit vor Paris hatte sie ihre eigene
blutige Bartholomäusnacht erlebt. Hier gab es mehr religiöse Zeremonien als anderswo. Mit ihren Kirchenglocken, welche die Gläubigen ständig zur Messe riefen, war sie eine wahrhafte klingende Insel; eine Stadt, die ebenso unter Kruzifixen, Heiligenbildern und Reliquien versank wie unter Blumen. Hier erstickte das spanische Feuer die pure Reinheit des lateinischen Geistes, welche die einstigen Sieger aus Rom eingeführt hatten. Neben Bruderschaften des Vergnügens wie den »Fürsten der Liebe« und den »Äbten der Jugend«, die für ihre Possen berühmt waren, traf man in den Straßen auf Prozessionen von Flagellanten, die sich, die Augen glühend vor mystischer Leidenschaft, derart mit Ruten und Stacheln geißelten, dass sie blutige Fußabdrücke auf den Pflastersteinen zurückließen.
Angélique hatte sich, davongerissen von dem Strudel eines unbeschwerten Lebens, nicht mit dieser Seite von Toulouse beschäftigt. Doch sie wusste natürlich, dass der Erzbischof selbst, dieser Mann, der in dem hohen Sessel vor ihr saß und ein Glas Limonade an die Lippen führte, der Großmeister der Inquisition war.
»Monseigneur«, murmelte sie daher aufrichtig bestürzt, »es ist doch nicht möglich, dass Ihr meinen Mann der Hexerei bezichtigt? Gold zu machen ist doch in diesem Land, über das Gott seine Gaben im Überfluss ausgegossen hat und wo er sogar pures Gold in die Erde gelegt hat, gar nicht nötig!
Ich habe mir sagen lassen«, fügte sie scharfsinnig hinzu, »sogar Ihr selbst hättet Goldwäscher angestellt, die den Sand der Garonne in Körben auswaschen und eine Ausbeute an Goldsand und Körnchen einbringen, mit der Ihr vielerlei Not lindert.«
»Euren Einwand kann ich nicht gelten lassen, meine Tochter. Gerade weil ich weiß, was die Goldsuche im Boden einbringt,
kann ich Euch Folgendes versichern: Wollte man den Sand aller Flüsse und Bäche des Languedoc waschen, würde man wohl nicht die Hälfte dessen zusammenbringen, was der Graf de Peyrac zu besitzen scheint. Glaubt mir, damit kenne ich mich aus.«
Das bezweifle ich nicht, dachte Angélique, schließlich geht dieser Schmuggel mit dem spanischen Gold und den Maultieren schon lange …
Der Erzbischof hatte bemerkt, dass sie zögerte, und sah sie aus seinen blauen Augen an. Ein wenig nervös klappte sie ihren Fächer zu.
»Ein Gelehrter ist nicht unbedingt ein Gefolgsmann des Teufels. Erzählt man sich nicht, dass es am Hofe Wissenschaftler gibt, die ein Fernrohr aufgestellt haben, um die Gestirne und die Gebirge auf dem Mond anzusehen, und dass sich Monsieur Gaston d’Orléans, der Onkel des Königs, unter der Anleitung des Abbé
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