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Angélique - Hochzeit wider Willen

Titel: Angélique - Hochzeit wider Willen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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gewonnenen Fakten beziehe und nicht aus logischen Spitzfindigkeiten. Mit anderen Worten, ich muss auf die Methode der Beobachtung bauen, wie sie Francis Bacon in seinem 1620 erschienenen Novum Organum darlegt, ebenso wie auf die Handreichungen des Mathematikers Descartes, dessen Abhandlung über die Methode immer eines der Monumente der Philosophie und der Mathematik bleiben wird...«
     
    Angélique sah genau, dass die Namen dieser beiden Gelehrten dem Geistlichen fast gar nichts sagten; und dabei galt er doch
als so gebildet! Sie fürchtete, die Diskussion könne einen unangenehmen Verlauf nehmen, und hoffte, Joffrey werde versuchen, sein Gegenüber versöhnlich zu stimmen.
    Warum müssen die Männer nur immer solche Haarspaltereien betreiben?, fragte sie sich. Aber vor allem fürchtete sie, die geschickten Abschweifungen des Erzbischofs könnten zum Ziel haben, Joffrey de Peyrac in eine Falle zu locken.
     
    Dieses Mal schien die Leidensfähigkeit des Kirchenmannes an ihre Grenzen gelangt zu sein. Seine sorgsam rasierten, blassen Wangen röteten sich, und als er die Augen schloss, nahm seine Miene einen solchen Ausdruck hochfahrender Verschlagenheit an, sodass der jungen Frau angst und bange wurde.
    »Monsieur de Peyrac«, sagte er, »Ihr sprecht über die Macht. Macht über Menschen, Macht über Dinge. Habt Ihr jemals darüber nachgedacht, dass der außerordentliche Erfolg Eures Lebens vielen suspekt erscheinen mag, und zwar besonders dem stets wachsamen Auge der Kirche? Euer Reichtum, der täglich wächst, Eure wissenschaftlichen Arbeit, die in Ehren ergraute Gelehrte zu Euch führt? Im letzten Jahr habe ich mit einem von ihnen gesprochen, dem deutschen Mathematiker, der einige Eurer Arbeiten gelesen hatte. Er konnte gar nicht fassen, dass Ihr wie im Spiel Probleme gelöst habt, an denen sich die größten Geister dieser Zeit vergeblich abgemüht haben. Ihr sprecht zwölf Sprachen...«
    »Picco della Mirandola im vergangenen Jahrhundert sprach deren achtzehn.«
    »Ihr besitzt mannigfache Begabungen, dichtet wunderbar und versteht Euch – verzeiht mir, Madame – im allerhöchsten Maß auf die Kunst, Frauen zu verführen...«
    »Und das hier?«

    Angélique zog sich das Herz zusammen, denn sie erriet, dass Joffrey de Peyrac die Hand an seine entstellte Wange geführt hatte. Vielleicht wies er auch auf sein lahmes Bein.
    Um seine Verlegenheit zu überspielen, verzog der Erzbischof gereizt das Gesicht.
    »Ach, das! Ich weiß nicht, wie Ihr das anstellt, doch Ihr bringt es fertig, Eure Behinderung vergessen zu machen. Glaubt mir, Ihr habt zu viele Talente.«
    »Euer Vorwurf erstaunt mich und bringt mich in Verlegenheit«, erwiderte der Graf nachdenklich. »Mir war nicht klar, dass ich ein solches Maß an Neid auf mich ziehe. Ich selbst hatte im Gegenteil den Eindruck, dass ich eine schwere Last trage.«
    Er beugte sich vor, und seine Augen blitzten, als hätte er eine Gelegenheit entdeckt, einen guten Scherz anzubringen.
    »Wusstet Ihr eigentlich, Monseigneur, dass ich in gewisser Weise ein hugenottischer Märtyrer bin?«
    »Hugenotte, Ihr?«, schrie der Geistliche.
    »Ich sagte, in gewisser Weise. Denn dies ist meine Geschichte: Nach meiner Geburt vertraute meine Mutter mich einer Amme an, die sie nicht nach ihrer Religion, sondern nach dem Umfang ihrer Brüste ausgesucht hatte. Diese Amme aber war Hugenottin. Sie nahm mich mit in ihr Dorf in den Cevennen, wo auf seinem Schloss ein kleiner Grundherr reformierten Glaubens regierte. Nicht weit entfernt gab es, wie es sich gehört, einen anderen kleinen Grundherrn und katholische Dörfer. Keine Ahnung, wie es dazu kam, aber als ich drei Jahre alt war, fielen Katholiken und Hugenotten übereinander her. Meine Amme und die Frauen aus ihrem Dorf hatten sich in das Schloss des reformierten Edelmanns geflüchtet. Mitten in der Nacht wurde es von den Katholiken gestürmt. Alle wurden getötet, und das Schloss ging in Flammen auf.
    Was mich angeht, so hat man mir zuerst das Gesicht mit drei Säbelhieben zerschlagen und mich dann durch ein Fenster
geworfen, und ich fiel zwei Etagen tief in einen verschneiten Hof. Der Schnee hat die Wucht des Aufpralls gemindert und mich vor den glühenden Trümmern geschützt, die um mich herum niedergingen. Am Morgen hat mich dann einer der Katholiken gefunden, der zurückgekommen war, um zu plündern, und der wusste, dass ich das Kind toulousanischer Adliger war. Er hat mich mitgenommen und zusammen mit meiner Milchschwester Marguerite,

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