Angélique - Hochzeit wider Willen
jahrhundertelang der einzige Naturstoff gewesen, mit dem man blaue und grüne Farbtöne erzielen konnte, und hatte die Bürger und Kaufleute von Toulouse wohlhabend gemacht.
Als Angélique sah, dass er schwieg, setzte sie sich wieder in ihren Sessel, und ein kleiner Mohr stellte den Weidenkorb in ihre Nähe, in dem sich die leuchtend bunten Seidenfäden ihrer Stickarbeit schlängelten.
Im Palast war es ruhig, denn es war der Morgen nach einem Fest. Angélique ging der Gedanke durch den Kopf, dass sie heute beim Mittagsmahl ihrem Mann allein gegenübersitzen würde; jedenfalls, wenn sich der unvermeidliche Bernard d’Andijos nicht selbst einlud...
»Habt Ihr die geschickte Taktik des Herrn Großinquisitors bemerkt?«, sagte der Graf unvermittelt. »Zuerst ergeht er sich über die Moral, streift im Vorübergehen die ›Ausschweifungen‹
im Palast der fröhlichen Wissenschaft, spielt auf meine Reisen an und kommt von dort ganz zwanglos auf Salomo. Kurz gesagt, die ganze Geschichte läuft darauf hinaus, dass Baron Benoît de Fontenac, Erzbischof von Toulouse, mich auffordert, mein Geheimnis der Goldfabrikation mit ihm zu teilen, andernfalls wird er mich auf der Place des Salins als Hexer verbrennen lassen.«
»Ebendiese Drohung glaubte ich herauszuhören«, erwiderte Angélique erschrocken. »Glaubt Ihr, er bildet sich wirklich ein, Ihr wäret mit dem Teufel im Bunde?«
»Er? Nein. Das überlässt er dem einfältigen Bécher. Der Erzbischof besitzt eine zu nüchterne Intelligenz und kennt mich zu gut. Aber er ist überzeugt davon, dass ich das Geheimnis der wissenschaftlichen Vermehrung von Gold und Silber kenne. Er will es erfahren, damit er es selbst einsetzen kann.«
»Er ist ein widerlicher Mensch!«, rief die junge Frau aus. »Und dabei wirkt er so würdevoll, so voll des Glaubens, so großmütig.«
»Das ist er auch. Er steckt sein ganzes Vermögen in wohltätige Werke. Jeden Tag hält er Freitisch für arme Kirchenbeamte ab. Er kümmert sich um die Brandopfer, das Heim für Findelkinder und was weiß ich sonst noch. Er ist voll des Seelenheils und der Größe Gottes. Sein ganz persönlicher Dämon allerdings ist die Herrschsucht. Er trauert der Zeit nach, als der Bischof der alleinige Herr einer Stadt oder sogar einer Provinz war und mit dem Krummstab in der Hand Recht sprach und Strafen und Belohnungen austeilte. Als er also bemerkt, wie gegenüber seiner Kathedrale der Einfluss aus dem Palast der fröhlichen Wissenschaft wächst, begehrt er auf. Wenn es so weitergeht, wird in einigen Jahren der Graf de Peyrac – Euer Gatte, meine teure Angélique – Toulouse beherrschen. Gold und Silber schenken Macht, und siehe da, die Macht fällt in die Hände eines Gehilfen des Satans! Da zögert
Monseigneur nicht. Entweder wir beide teilen die Macht, oder …«
»Was wird geschehen?«
»Keine Angst, meine Kleine. Gewiss, die Intrigen eines Erzbischofs von Toulouse könnten verhängnisvoll für uns werden, aber ich sehe nicht, warum es so weit kommen muss. Er hat seine Karten aufgedeckt. Er will das Geheimnis der Goldherstellung erfahren, und ich gebe es ihm gern.«
»Dann besitzt Ihr es tatsächlich?«, fragte Angélique mit weit aufgerissenen Augen.
»Wir wollen jetzt nichts durcheinanderbringen. Ich kenne keinerlei Zauberformel, mit der man Gold erschaffen könnte. Mein Ziel ist nicht so sehr, Reichtümer zu erschaffen, sondern vielmehr, die Kräfte der Natur walten zu lassen.«
»Aber ist das nicht bereits ein wenig ketzerisch, wie Monseigneur sagen würde?«
Joffrey lachte laut auf.
»Ich sehe, dass Ihr Euren Katechismus gut gelernt habt. Ihr beginnt Euch im Spinnennetz seiner Scheinargumente zu verwickeln. O weh, ich begreife, dass es schwierig ist, in dieser Sache klar zu sehen. Die Kirche im Mittelalter hat schließlich auch nicht die Müller exkommuniziert, obwohl der Wind oder das Wasser ihre Mühlräder gedreht haben. Aber heute gäbe es einen Aufschrei, wenn ich versuchen würde, in der Umgebung von Toulouse auf einer Anhöhe die gleiche Dampfpumpe zu errichten, wie ich sie in Eurem Bergwerk in Argentières habe bauen lassen! Nur weil ich einen Behälter aus Glas oder Steinzeug auf ein Schmiedefeuer setze, heißt das noch lange nicht, dass dort mit einem Mal Luzifer hineinschlüpft...«
»Ihr müsst aber zugeben, dass die Explosion eben sehr eindrucksvoll war. Monseigneur war höchst erschrocken darüber,
und ich glaube, in diesem Punkt hat er sich nicht verstellt. Habt Ihr das mit
Weitere Kostenlose Bücher