Angélique - Hochzeit wider Willen
von dem hässlichen Hinkefuß übrig, wenn Ihr ihm auch noch die Augen auskratzt?«
»Ihr habt mich auf unglaublich dreiste Art hintergangen und mir weisgemacht, Ihr wäret... die ›Goldene Stimme des Königreichs‹.«
»Aber ich bin die ›Goldene Stimme‹.«
Sie starrte ihn fassungslos an.
»Ist das denn so ungewöhnlich?«, fuhr er fort. »Ich habe einiges Talent und außerdem bei den größten Maestri Italiens studiert. Der Gesang ist eine in der Gesellschaft geschätzte Kunst, die heutzutage häufig geübt wird. Ganz ehrlich, meine Teure, gefällt Euch meine Stimme vielleicht nicht?«
Angélique wandte sich ab und wischte sich mit einer heftigen Bewegung die Zornestränen vom Gesicht.
»Wie kann es sein, dass ich nichts von Eurer Begabung wusste und bisher nicht den geringsten Verdacht hegte?«
»Ich hatte darum gebeten, Euch nichts zu sagen. Und vielleicht habt Ihr Euch auch keine allzu große Mühe gegeben, meine Talente zu erkunden?«
»Oh! Das ist zu viel!«, stieß Angélique noch einmal hervor.
Doch nachdem ihr erster Zorn verflogen war, musste sie beinahe lachen.
Da hatte er doch tatsächlich seinen Zynismus so weit getrieben, dass er sie verlockte, ihn mit sich selbst zu betrügen! Er hatte wirklich den Teufel im Leib! Nein, er war der Teufel in Person.
»Diese abscheuliche Komödie werde ich Euch nie verzeihen«, erklärte sie, presste die Lippen zusammen und versuchte, so würdevoll wie möglich auszusehen.
»Ich liebe es, Theater zu spielen. Seht Ihr, meine Liebe, das Leben ist nicht immer sanft mit mir umgesprungen, und ich habe wegen meines Gangs so viel Spott über mich ergehen lassen, dass ich meinerseits unerschöpfliche Freude daran finde, andere zum Narren zu halten.«
Ganz gegen ihren Willen sah sie ernsten Blickes zu dem maskierten Gesicht auf.
»Dann war alles nur erlogen?«
»Nicht ganz, das wisst Ihr genau«, antwortete er.
Ohne ein Abschiedswort wandte Angélique sich ab und ging davon.
»Angélique! Angélique!«
Leise rief er sie zurück.
Geheimnisvoll wie ein italienischer Harlekin stand er auf der Schwelle der Laube und legte einen Finger an die Lippen.
»Seid so gut, Madame, und erzählt diese Geschichte niemandem, nicht einmal Eurer Lieblingszofe. Wenn man hört, dass ich meine Gäste allein lasse, mich verkleide und eine Maske aufsetze, um meiner eigenen Frau einen Kuss zu stehlen, werde ich das Gespött der Leute sein.«
»Ihr seid wirklich unmöglich!«, rief sie.
Sie raffte ihre Röcke und rannte den sandbestreuten Weg entlang. Auf der Treppe fiel ihr auf, dass sie lachte. Wie damals in jener ersten Nacht zog sie sich allein aus und riss vor lauter Ärger Häkchenverschlüsse ab und stach sich an den Nadeln. Aber die heutige Nacht war anders. Wie im Fieber warf sie sich hin und her und vermochte keinen Schlaf zu finden. Sein maskiertes Gesicht, sein entstelltes Antlitz und sein Profil mit den klaren, reinen Zügen zogen vor ihrem inneren Auge vorüber. Was steckte hinter den vielen Facetten dieses Mannes? Plötzlich stieg trotzige Abwehr in ihr auf, und dann wieder wurde sie ganz matt bei der Erinnerung an die Lust, die sie in seinen Armen empfunden hatte.
Ihr seid wie für die Liebe geschaffen, Madame …
Endlich schlummerte sie ein. Im Traum erschienen ihr Joffrey de Peyracs Augen, in denen die Flammen seiner Schmelzfeuer tanzten.
Kapitel 9
S ie beschloss, auch noch den nächsten Tag in dem Schlösschen an der Garonne zu verbringen. Nach dem üblen Streich, den ihr Gatte ihr gespielt hatte, verspürte sie keine Lust, ihre ganze Sorgfalt auf den Empfang seiner Gäste und auf das Aufräumen seines Palasts zu verwenden, wo sich noch immer fröhliche Festgäste aufhielten. Eine seltsame Mattigkeit überwältigte sie, und sie schlief wieder ein.
Um die Mittagszeit wurde sie von zwei Zofen geweckt, die sie nicht kannte. Es waren junge Bauernmädchen aus einem Nachbardorf, die in dem Lustschlösschen an der Garonne zu dienen pflegten, wenn es bewohnt wurde.
Marguerite hatte ihnen Bescheid gegeben.
Madame de Peyrac ruhe sich aus, hatte sie ihnen erklärt.
Sie sollten sich zu ihrer Verfügung halten, dafür sorgen, dass sie es bequem hatte, und sich um ihr Bad und ihre Mahlzeiten kümmern. Außerdem ließ Marguerite mitteilen, die Eskorte erwarte sie, um sie per Sänfte, Kutsche oder zu Pferde nach Toulouse zurückzugeleiten, wann immer ihr das genehm sei.
Angélique seufzte zufrieden.
Sie war froh darüber, einen ganzen Tag
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