Angélique - In den Gassen von Paris
Arbeiter und Handwerker, die zuvor durch die schlechte Laune des Wirts und Davids Trägheit vertrieben worden waren, wieder als Gäste gewonnen.
Sie lockte sie, indem sie ihnen, kaum dass die Sonne aufgegangen war, eine heiße und gut gewürzte Grütze vorsetzte. Dazu gab es gratis ein kleines Glas Schnaps, damit sie frohgemut an die Arbeit gehen konnten.
»Das ist Verschwendung«, protestierte Meister Bourjus. »Eine ganze Korbflasche Branntwein, die mir keinen Sou einbringt.«
»Ich habe nur von der Flasche mit dem Rübenschnaps genommen. Ihr schenkt ihn niemals aus, aber ich habe schon gesehen, wie Ihr selbst Saucen und Ragouts damit verfeinert habt. Aber Ihr habt ja recht, Monsieur. Denn es ist besser, etwas gratis auszugeben, um ein gutes Mahl zu servieren, als alles auf die Rechnung zu schreiben wie ein Geizhals und einen treuen Gast zu enttäuschen. Unsere morgendlichen Gefährten sind so dankbar für dieses kleine Geschenk, dass sie überall Reklame für uns machen.«
Meister Bourjus seufzte und sagte nichts weiter. Einmal mehr musste er zugestehen, dass sie durchaus interessante Ideen und Argumente hatte. Und wenn Angélique ihn, statt ihn »Meister Jacques« zu rufen, mit »Monsieur« anredete, verschlug es ihm ohnehin die Sprache.
Angélique staunte über die Unterschiede zwischen ihren Gästen, die doch größtenteils einfache Leute ohne große Geldmittel waren, unter die sich ein paar Reisende mischten –die breite Masse eben, die die Straßen von Paris bevölkerte. Aber alle legten äußerst großen Wert auf die Nahrung, die sie zu sich nahmen, die jedes menschliche Wesen braucht, um zu überleben.
Sie hatte auch bemerkt, wie verschieden ihre Geschmäcker
waren. Jeder schien in dem, was man ihm auftrug, etwas Besonderes, Unverzichtbares zu suchen, das über die bloße Nahrungsaufnahme hinausging. War das der Einfluss von Paris, von dem man behauptete, seine Einwohner seien kulinarisch anspruchsvoll? Doch selbst die Reisenden, meist Hausierer oder Kaufleute aus der Provinz, widmeten dem, was sie sich einverleibten, große Aufmerksamkeit. Ohne in die Übertreibungen der Gourmets und der Vielfraße zu verfallen, erkundigten sie sich doch häufig nach dem Geheimnis der Gerichte, die ihnen an diesem Tag die Zufriedenheit geschenkt hatten, ein gutes Mahl zu sich genommen zu haben.
Alles in allem waren die Festsaison, die durch die Hungersnot und die Pest gestört worden war, und die Fastenzeit, die Fleisch und goldbraun gebratenes Geflügel verbot, für den Kecken Hahn nicht allzu katastrophal zu Buche geschlagen.
Als Angélique ihre Écus zählte, konnte sie sich sagen, dass diese traurige Zeit einträglicher als gedacht gewesen war.
Die unerwarteten Einnahmen, die sie sich durch ihren Arbeitseifer und die Gewitztheit ihrer kleinen Truppe wohl verdient hatte, setzte sie für einen Plan ein, der ihr am Herzen lag.
Sie zog um.
Aus verschiedenen Gründen liebte sie dieses beengte, dicht bevölkerte Viertel im Schatten des Grand Châtelet nicht. Im schönen Marais-Viertel entdeckte sie eine Wohnung, deren drei Räume sich auf zwei Etagen verteilten und die ihr wie ein Palast vorkam.
Sie lag in der Rue des Francs-Bourgeois, nicht weit von der Stelle, an der diese die Rue Vieille-du-Temple kreuzte.
Während der Regierungszeit Heinrichs IV. hatte dort ein Finanzier begonnen, ein schönes Stadthaus aus Ziegeln und und behauenen Natursteinen zu bauen. Aber er hatte sich – entweder durch die Kriege oder durch seine unsauberen Machenschaften – ruiniert, sodass das Gebäude unvollendet geblieben war. Nur das Portal, das in den großen Innenhof hätte führen sollen, sowie zwei Pförtnerlogen zu beiden Seiten waren fertig geworden. Eine kleine alte Dame, die wer weiß wie in den Besitz des Hauses gekommen war, bewohnte die eine Seite der Toreinfahrt; die andere vermietete sie zu einem bescheidenen Preis an Angélique.
Im Erdgeschoss fiel durch zwei dick vergitterte Fenster Licht in einen Flur, der zu einer winzigen Küche und einem ziemlich großen Zimmer führte, das Angélique bezog. Das schönste Zimmer im ersten Stock war für die Kinder bestimmt, die dort zusammen mit ihrer Gouvernante Barbe wohnen würden. Das Mädchen hatte Meister Bourjus’ Dienst verlassen, um für »Madame Morens« zu arbeiten. Denn Angélique hatte beschlossen, diesen Namen anzunehmen. Eines Tages würde sie ihm vielleicht den Adelspartikel voranstellen können. Auf diese Weise würden die Kinder den Namen ihres
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