Angélique - In den Gassen von Paris
Mann, und in diesem Punkt seid Ihr mit uns nicht im Reinen. Zuerst seid Ihr weder Gewürzhändlermeister noch werdet es jemals sein, und unsere Innung hat noch nie etwas von Euch erhalten.«
»Aber schließlich bringt doch sein Vater eine Entdeckung in Eure Innung ein … «, begann Angélique.
»Das müsst Ihr uns zuerst demonstrieren, und zwar auf
eigene Kosten, und dann sorgt dafür, dass auch wir etwas von der genannten Entdeckung haben.«
Angélique hatte das Gefühl, ihr platze der Kopf, und sie stieß einen tief empfundenen Seufzer aus. Sie entschuldigte sich und erklärte, sie würde über die Mysterien der Gewerbeordnungen nachdenken, und sei sicher, dass auch beim nächsten Mal die Herren wieder einen ausgezeichneten Grund finden würden, um sie daran zu hindern, etwas Neuartiges einzuführen.
Auf dem Rückweg machte sie sich Vorwürfe, weil sie es an Umsicht hatte fehlen lassen und ihre Nervosität spürbar geworden war. Aber sie hatte bereits begriffen, dass sie bei diesen Leuten auch mit einem Lächeln nichts ausgerichtet hätte.
Audiger hatte recht gehabt: Durch die Genehmigung des Königs bedurfte er des Schutzes der Innungen nicht und war umso besser daran.
Außerdem war er reich und verfügte über mächtige Gönner, während Angélique und der arme David gegenüber der Feindseligkeit der Innungen ziemlich hilflos waren.
Sie hätte den Schutz des Königs für dieses erste, vor fünf Jahren ausgestellte Patent erbitten können, doch das erschien ihr ebenso gefährlich wie schwierig.
Sie überlegte, wie sie sich mit Audiger verständigen könnten. Wäre es nicht besser, sie bemühten sich gemeinsam und teilten sich die Arbeit, statt sich zu bekämpfen? So könnte Angélique mit ihrem Patent und ihren Gerätschaften zur Schokoladenherstellung die Beschaffung der Kakaobohnen übernehmen und dafür sorgen, dass sie in einen verzehrfertigen Zustand – das heißt, als gezuckertes und mit Zimt
oder Vanille versetztes Pulver – gebracht wurden. Der Koch seinerseits würde daraus das Getränk sowie alle möglichen süßen Spezialitäten anfertigen.
Im Laufe ihres ersten Gesprächs war Angélique aufgefallen, dass der junge Mann noch nicht ernstlich darüber nachgedacht hatte, woher er seinen Nachschub an Rohmaterial beziehen sollte. Lässig hatte er geantwortet, das sei »überhaupt kein Problem«, denn das werde sich »schon finden«, und er werde »über Freunde« so viel bekommen, wie er wolle.
Doch Angélique wusste von der Zwergin der Königin, dass schon der Import von ein paar Säcken Kakao für die Naschlust Ihrer Majestät eine regelrechte diplomatische Mission darstellte. Dazu bedurfte es zahlreicher Mittelsmänner und Beziehungen zum spanischen Hof oder nach Florenz …
Auf diese Weise war es unmöglich, sich für den laufenden Bedarf zu versorgen. Bisher hatte sich anscheinend nur Davids Vater über den Nachschub Gedanken gemacht.
Sommer 1662
A udiger kam oft in den Kecken Hahn. Genau wie der »Vielfraß« Montaur setzte er sich an einen abseits stehenden Tisch und ging ganz offensichtlich den anderen Gästen aus dem Weg. Nach ihrem sehr unternehmungslustigen und munteren Beginn war er auffallend schweigsam geworden, und Angélique konnte nicht umhin, sich ein wenig gekränkt zu fühlen, weil ihr Berufskollege, der bereits einen gewissen Ruf genoss, ihr keinerlei Komplimente über ihre Küche machte. Er aß, ohne zu genießen, und ließ die junge Frau nicht aus den Augen, während sie im Lokal hin
und her lief. Schließlich fühlte Angélique sich sogar eingeschüchtert durch die beharrlichen Blicke dieses attraktiven, gut gekleideten jungen Mannes. Sie bereute ihre scherzhaften Wortgeplänkel vom ersten Tag und wusste nicht, wie sie das Thema ansprechen sollte, das ihr am Herzen lag: die Schokolade. Audiger hatte zweifellos herausbekommen, dass sie schwerer loszuwerden war, als er gedacht hatte. Auf jeden Fall beobachtete er sie aufmerksam.
Er trieb es sogar ein wenig zu weit, denn bei den Sonntagsausflügen der Familie aufs Land tauchte er mehrmals zu Pferde auf. Dann schützte er Überraschung vor und lud sich selbst freundlich zu ihrem Picknick im Gras ein. Wie zufällig steckten in seinen Satteltaschen stets eine Hasenpastete und eine Flasche Schaumwein.
Oder man begegnete ihm auf dem Kahn, mit dem man auf dem Wasserwege nach Chaillot fuhr, wo er mit seinen Bändern, Federn und Kleidern aus feinem Tuch eine merkwürdige Figur abgab.
Die Feiertage
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