Angélique - In den Gassen von Paris
als sie sich wieder hinlegte, aber in diesem Fall war es unumgänglich.
Sie schmiegte sich unter ihre Decken und dachte beim Einschlafen an die heilige Maria Magdalena, die die Schutzpatronin der leichten Mädchen war, die Hure aus dem Evangelium, die zu Füßen Christi Tränen vergossen hatte und die der Volksglaube »Jesu Geliebte« nannte.
Am nächsten Morgen ging sie mit David zum Vorsteher der Kaufmannschaft. Sie wurden von einem korpulenten, stark schwitzenden Mann empfangen, dessen Hemdkragen ziemlich schmutzig war. Dieser bestätigte, dass der Patentbrief des jungen Chaillou gültig sei; allerdings nur unter der Bedingung, dass er erneut eine Gebühr entrichte.
Angélique protestierte.
»Aber wir haben bereits für die Bratstube gezahlt: für die Erneuerung der Genehmigung zum Fleischbraten und für die Erlaubnis, auch andere Speisen anbieten zu dürfen! Warum sollen wir noch einmal bezahlen, um ein Getränk verkaufen zu können?«
»Ihr habt recht, mein Kind, denn da fällt mir ein, dass Ihr außer den Vorstehern der Gewürzhändlerinnung, die diese Frage betrifft, auch die Unterinnung der Limonadenverkäufer konsultieren müsst. Wenn alles gut für Euch ausgeht, habt Ihr das Privileg, noch für zwei weitere Patente Gebühren zu entrichten, nämlich an die Gewürzhändler und an die Limonadenhersteller.«
Angélique vermochte ihren Zorn nur schwer zu verbergen.
»Und das wäre dann alles?«
»Oh«, gab der Mann bedauernd zurück, »natürlich reden wir noch nicht von den entsprechenden königlichen Steuern oder den Abgaben an die Prüfer der Innungen oder die Kontrolleure, die Gewicht und Qualität abmessen…«
»Wie wollt Ihr denn eine Ware kontrollieren, die Ihr nicht einmal kennt?«
»Darauf kommt es gar nicht an. Da es sich bei diesem Erzeugnis um eine Ware handelt, müssen alle Innungen, die dadurch berührt werden, die Kontrolle darüber haben… und einen angemessenen Anteil am Gewinn erhalten. Eure Schokolade ist, wie Ihr sagt, ein gewürztes Getränk. Daher müsst Ihr einen Gewürzmeister und einen Limonadenmeister beschäftigen, sie großzügig bezahlen, ihnen Unterkunft gewähren sowie das Geld für das Meisterrecht in dem neuen Gewerbe an jede der Innungen entrichten. Und da Ihr auf mich nicht wirkt wie jemand, der gern teilt, kann ich Euch gleich warnen, dass wir ganz genau darauf achten werden, ob Ihr die Regeln auch einhaltet.«
»Und was soll das jetzt im Einzelnen heißen?«, verlangte Angélique zu wissen, setzte ihre kühnste Miene auf und stemmte die Hände in die Hüften.
Aber darüber amüsierten sich die ernsten Kaufleute nur. Einer von ihnen, der jünger war, meinte, es ihr erklären zu müssen.
»Das bedeutet, dass Ihr Euch, indem Ihr in die Innung eintretet, auch damit einverstanden erklärt, dass Euer neues Erzeugnis bei allen Euren Innungsbrüdern, den Gewürzhändlern und Limonadenverkäufern, feilgeboten wird. Angenommen natürlich, dieses seltsame Erzeugnis kommt bei den Gästen an.«
»Das ist ja alles sehr ermutigend, Messieurs. Wenn ich Euch richtig verstehe, sollen wir also sämtliche Kosten aufbringen, neue Meister zusammen mit ihren Familien aufnehmen
und für alles einstehen, wie man so sagt. Und anschließend sind wir entweder ruiniert, oder wir teilen den Lohn unserer Mühen und unser Geheimnis mit denen, die keinen Finger gerührt haben, um uns zu unterstützen. Habe ich das jetzt richtig verstanden?«
»Im Gegenteil, meine Schöne, Letztere hätten ja bereits alles getan, indem sie Euch aufgenommen und Eurem Handel keine Steine in den Weg gelegt haben.«
»Alles in allem ist es doch eine Art Eintrittsgeld, das Ihr von uns verlangt, oder?«
Der junge Innungsmeister versuchte gutmütig, sie zu beruhigen.
»Vergesst nicht, dass die Innungen immer mehr Geld benötigen. Da Ihr selbst ein Geschäft betreibt, werdet Ihr wissen, dass wir bei jedem neuen Krieg, jedem Sieg, jeder Geburt in der Königsfamilie oder sogar in einem Fürstenhaus unsere schwer errungenen Privilegien erneut erwerben müssen. Und zudem ruiniert uns der König, indem er bei jeder Gelegenheit – oder sogar ohne eine solche – neue Abgaben oder Berufe erfindet, ein wenig so wie der neue Handel, den Ihr uns im Namen dieses Sieur Chaillou vorschlagt …«
»Der Sieur Chaillou bin ich«, meldete sich der Lehrbursche zu Wort. »Oder jedenfalls mein verstorbener Vater. Und ich versichere Euch, dass er äußerst teuer für sein Patent bezahlt hat!«
»Genau, junger
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