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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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sagte Angélique lachend. »Wo hast du das denn her?«
    »Der Schmutzpoet hat das Gedicht für mich geschrieben. Ich … ich habe ihn gefragt, wie ich Euch begreiflich machen könnte, dass ich Euch liebe. Aber Ihr lacht«, rief der arme Knabe. »Immer macht Ihr Euch lustig über mich!«
    »Psst! Du weckst noch die ganze Nachbarschaft! Ich lache, weil du ein Schafskopf bist. Du weißt doch ebenso gut wie jedermann, dass dieser finstere Schmutzpoet ein Spitzbube und ein übles Subjekt ist. Und jetzt geh und leg dich wieder schlafen.«
     
    Doch David trat noch einen Schritt näher und beugte sich über sie. Das Kerzenlicht warf tiefe Schatten über sein Gesicht, das seinen kindlichen Ausdruck verloren hatte. Unwillkürlich zog sie den Träger ihres Hemds hoch, der ihr auf den Arm geglitten war.
    »Ich liebe Euch«, erklärte er mit fester, tiefer Stimme. »Keine Frau ist schöner als ihr. Nachts träume ich davon, dass ich die Hand auf Eure Brust lege und mit den Lippen zärtlich Euren Mund berühre. Ich möchte mich zu Euch in dieses Bett legen und Euch an mich drücken, bis Ihr vor Schmerz stöhnt. Und dann muss etwas so Wunderbares geschehen, dass ich daran sterben möchte …«

    Nicht übel, dachte Angélique. Diese Menschen aus dem Süden besitzen von Natur aus eine poetische Ader, die ihnen niemand absprechen kann. Aber sollte ich mich wirklich gezwungen sehen, mit einem Burschen von sechzehn Jahren zu ringen?
     
    Unterdessen hatten Davids Züge sich krampfhaft verzerrt. Schluchzend sank er auf der Bettkante zusammen.
    »Oh, ich flehe Euch an, seid mir nicht böse! Ich weiß nicht, was in mich gefahren ist … Als wäre ich verrückt geworden! Ich bin krank, nicht wahr?«
     
    Angélique lächelte und fuhr dem Burschen mütterlich über das struppige Haar.
    »Aber nein, du bist nicht krank. Das ist ganz natürlich. Du bist zum Mann geworden. Jedenfalls beinahe. Hast du schon einmal bei einer Frau gelegen, David?«
     
    Der Junge senkte den Kopf, um sein Erröten zu verbergen, das Angélique, um die Wahrheit zu sagen, in dem dunklen Zimmer gar nicht bemerkt hätte.
    »Nein«, erklärte er schüchtern. »Ich kann Frauen nicht leiden. Sie machen mir Angst.«
    »Und ich? Ich, die ich dir den ganzen Tag lang barsche Antworten gebe, dir Ohrfeigen versetze und dich ausschelte, mache ich dir keine Angst?«
    »Ein wenig schon; besonders wenn Ihr mich auf eine gewisse Weise anschaut. Aber ich glaube, dass Ihr mich weder verspottet, noch es böse meint. Seit Ihr mich geküsst habt…«
    »Ich soll dich geküsst haben?«
    »Aber ja, an dem Tag, an dem ich Euch gesagt habe, dass ich aus Toulouse stamme. Daraus habe ich geschlossen,
dass Ihr auch freundlich sein könnt. Und ich dachte, Ihr könntet mich vielleicht lehren …«
    »Dass ich dich was lehren könnte, David?«
    Er schlug die Augen nieder.
    »Diese … diese wunderbare Sache …«
    »Die Liebe? So, wie ich dir das Kochen beigebracht habe? Nein, mein Kleiner, verstehst du, diese Dinge lernt ein Mann von einem Mädchen seines Alters, oder … Ich bin jedenfalls weder jung noch alt genug für diese Rolle. Abgesehen davon glaube ich, dass du dir Illusionen über diese Empfindungen machst, die ich offenbar bei dir hervorrufe. Du wirst noch feststellen, dass sich nachts im Bett, wenn die Kerze gelöscht ist, alle Frauen ähnlich sehen. Was dir fehlt, ist das Wissen darum, worin sie gleich sind. Komm schon, reich mir mein Umschlagtuch, das da auf dem Stuhl liegt, und lass mich aufstehen.«
    Sie trat an den Tisch und kritzelte ein paar Worte auf ein Stück Papier, das sie David zusammen mit einigen Geldstücken reichte.
    »So, damit gehst du hinaus, überquerst den Pont au Change und begibst dich in die Rue Glatigny. Dort klopfst du an die Tür des dritten Hauses von links, an dem du eine rote Laterne hängen siehst. Erkläre der Frau, dass du von Angélique kommst. Sie kann zwar nicht lesen, aber Beau-Garçon wird ihr das Notwendige sagen; und wenn sie das Geld sieht, wird sie verstehen, worum es geht, und dass sie dich verhätscheln soll wie einen Edelmann. Lauf zu, mein Junge, und hab keine Angst. Und nun beeil dich, denn ich bekomme auf dem Steinboden kalte Füße!«
    Mit hängendem Kopf verzog sich der Bursche. Doch er war es gewöhnt, ihr zu gehorchen, und sie hörte, wie er das Haus verließ. Kurz darauf sah sie durch das Fenster, wie er auf den mondbeschienenen Pont au Change zuging.

    Was ich da getan habe, ist nicht besonders moralisch, sagte sich Angélique,

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