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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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für dessen erstes Lehrjahr zu entschädigen, und fand sich mit der Vorstellung ab, dass der junge Mann heiraten würde. Es hieß, seine Frau sei recht erfahren in der feinen Küche. Beide würden einen zufriedenstellenden Lohn erhalten. Dann erfuhr man, dass der Herzog de Bellegardère zum Gouverneur einer entlegenen Provinz ernannt worden war und mit seinem ganzen Haushalt ans äußerste Ende des Königreichs umzog.
    Dennoch war man allgemein der Meinung, das junge Paar könne sich glücklich schätzen.
    In einem krisenerfüllten Jahrhundert, in dem es immer wieder zu Krieg oder Hungersnöten kam, konnte einem nichts Besseres geschehen als eine Anstellung im Haus eines wohlhabenden Herrn. Für die Dienstboten trat das »Haus« an die Stelle von Vater und Mutter, die sie nie wiedersehen würden oder nie gehabt hatten.
    Der Domestike, der einem Herrn Treue schwor, erhielt dafür Schutz und war frei von materiellen Sorgen. Wenn er wollte, hatte er sein Leben lang eine Bleibe und etwas zu essen. Wenn er krank war, kümmerte man sich um ihn, und auch im Alter blieb er bei seinem Herrn. Und während seiner gesamten Dienstzeit garantierte sein Lohn ihm eine gewisse Freiheit.
     
    Glücklicherweise hatte man schon mit dieser Hochzeit gerechnet und Zeit gehabt, sich um das Unumgängliche zu kümmern: Man musste herausfinden, wo Rosine geboren
war, wie ihre Eltern hießen; alles Angaben, die verlangt wurden, um den Beweis für ihre Existenz zu führen.
    Angélique stellte bei dieser Gelegenheit fest, dass es umso schwieriger war, die Existenz eines Menschen zu belegen, der quasi zufällig in diese Welt geraten war, je gefährdeter, obskurer und unauffälliger sein Leben gewesen war.
    Aber es musste sein. Rosine war ein Mensch, und alle Menschen mussten deklariert, katalogisiert und mit einem Etikett versehen werden. Also, woher kam sie?
    In was für einem Bauch war sie herangewachsen, einem namenlosen oder fürstlichen? Wer hatte ihr den Vornamen Rosine gegeben? Ihre Eltern oder später diejenigen, die sie angenommen oder verkauft hatten? Wo setzte bei ihr die Erinnerung ein, die zurück zu ihren Ursprüngen führte?
    Offensichtlich war für alle, dass sie ein Kind der Hauptstadt Paris war. Aber mit welchem Merkmal, welchem Zeichen, mit welchem Dokument ließ sich das bewesen?
     
    Inmitten der ganzen Debatte rupfte Rosine weiter das Geflügel zum Braten und spülte das Geschirr. Sie verspürte nicht die geringste Lust, ihre Erinnerungen zu erforschen, und Angélique konnte sie gut verstehen.
    Sie war ein Findelkind gewesen.
    Wenn sie aus Paris stammte, auf dem Pflaster welchen Viertels hatte man sie ausgesetzt? Auf dem Vorplatz welcher Kirche?
    Mit dieser Frage kam Licht ins Dunkel.
    All diese unerlässlichen Angaben mussten sich doch im Gemeinderegister der Kirche finden, in der sie getauft worden war. Diese Erkenntnis war für alle eine Erleichterung. Was waren sie doch für Ungläubige, dass sie nicht eher daran gedacht hatten! Die Taufe!
    Der einzige anerkannte Ausweis der Identität, durch die
jeder Mensch den Ort seiner Geburt – oder seiner Auffindung –bezeugen konnte, sein Geschlecht und seine Religion, seinen Namen und Vornamen – wenngleich diese oft der Fantasie ihrer Taufpaten entstammten; Bettler, die man auf dem Vorplatz der besagten Kirche aufgelesen hatte –, und alles begleitet von einem Datum mit Tag, Monat und Jahr.
    Doch man durfte auch nicht vergessen, dass Paris im Jahre 1522 zum Erzbistum geworden war, zu einer Metropole, und dass es nach dem Konzil von Trient, das die Erneuerung der katholischen Kirche angeordnet hatte, zu einem großen Aufschwung der Religion gekommen war. Die Anzahl der Gemeinden hatte sich verdoppelt, was, wenn man Kapellen und private und öffentliche Gebetsräume sowie die Altäre von Klöstern einrechnete, mindestens tausend heilige Orte ergab, die man hätte aufsuchen müssen, um Rosines Geburtsurkunde zu finden und eine Kopie davon zu machen.
     
    Schließlich besorgten sie ihr einfach eine Urkunde.
    Dazu brauchte man nicht einmal den Geistlichen einer ehrenwerten Gemeinde zu belästigen. In Paris gab es genug falsche Tonsurenträger, die ihr so etwas besorgen konnten. Dafür schützten sie die Kirche und ihre Schätze vor lästerlichen Dieben und erhielten zudem Ablässe, die ihnen ewiges Heil sicherten.
    Man hatte sogar eine Kirche mit einem ungewöhnlichen Namen entdeckt, Sainte Marine – in Anlehnung an Saint-Marin, einen frommen Eremiten aus dem vierten

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