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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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Jahrhundert –, wo sich Huren gegen einen geringen Preis trauen lassen konnten.
    Aber das kam für Rosine nicht in Frage. Die Gäste wären empört. Niemand hatte weniger von einer Hure an sich
als die brave Rosine, die stets unauffällig ihre Arbeit tat. Ihr Verlobter, der Zuckerbäckerlehrling, war fromm, was allerdings nichts bewies, wie der freigeistige Montaur philosophisch meinte, der sich keine Illusionen über die Heuchelei der Gläubigen machte.
    Aber die Heuchelei war eine bürgerliche Schwäche. Die Frömmigkeit eines Zuckerbäckerlehrlings konnte nur aufrichtig sein. Man hatte sich für ihn gefreut, denn das Gesetz legte fest, dass der zukünftige Ehemann eines Findelkinds nicht verpflichtet war, ein Meisterstück anzufertigen.
     
    Montaur gehörte zu den »Zynikern« und zweifellos auch zu den »Skeptikern«, was noch weit schlimmer war, denn das zog die Aufrichtigkeit seines Glaubens in Zweifel, womit er kurz davor stand, des Atheismus beschuldigt zu werden, was ihn wiederum aufs Schafott oder trotz seiner adligen Abstammung auf den Scheiterhaufen hätte bringen können.
    Er gehörte zu den Stammgästen der Taverne zur Roten Maske und damit zu denen, die sich durch ihren täglichen Besuch als zum Hause zugehörig, ja fast als Familienmitglieder betrachteten. Daher brachten die Stammgäste auch allen, von denen sie, zusammen mit ihrer anmutigen Gastgeberin und Meister Bourjus, so herzlich und unterhaltsam aufgenommen wurden, großes Interesse entgegen.
     
    Alle machten sich Gedanken um Rosines Los. Auf keinen Fall durfte sie fortgehen, ohne dass sich alle vergewissert hatten, dass sie es bei ihrer zukünftigen Stellung gut treffen würde. Angélique war erstaunt über die verständigen Ratschläge, die diese Nachtschwärmer zwischen zwei Gläsern Wein erteilten.
    Einer von ihnen zog ausführliche Erkundigungen über
den Haushalt des Herzogs de Bellegardère ein. Er konnte es zwar nicht mit dem Gefolge der hochstehendsten Persönlichkeiten des Königreichs aufnehmen – so zählte Richelieus Hausstand hundertfünfzig ständige Mitglieder, seine Spitzel nicht eingerechnet –, doch immerhin verfügte das Haus des Herzogs de Bellegardère über die drei Säulen, auf denen der reibungslose Ablauf im Haushalt eines hohen Adligen beruhte: über einen Verwalter, den Hausgeistlichen und den Sekretär. Diese wiederum führten die Aufsicht über das Personal, das die niedrigen Arbeiten verrichtete und beinahe militärisch zu einzelnen Bataillonen und Rängen aufgestellt war und von ihnen in Bewegung gesetzt wurde: Hausdiener, Mägde, Lakaien, Knappen, Stallburschen und natürlich das Küchenpersonal vom Oberkoch bis zum letzten Küchenjungen.
     
    Am Tag von Rosines Abreise begleitete Angélique sie bis zum Stadthaus des Herzogs. Die umliegenden Straßen waren mit Karren, Kutschen und Dienstboten verstopft. Ein richtiges Ereignis!
    Blaise sah in seinem dunkelroten Anzug mit silbernen Tressen an den Revers, der Livree des Küchenpersonals des herzoglichen Hauses, elegant aus. Bei der Arbeit würde er weiße Kleidung und eine ebenfalls weiße Mütze tragen, deren Höhe seinen Rang anzeigte.
     
    Kurz bevor sie auseinandergingen, sahen Angélique und Rosine einander schweigend an.
    Man hätte sich fragen können, was Rosine hinter ihrer jugendlichen Frische und ihrem gelassenen Jungmädchengesicht verbarg. War das alles ein Zeichen für Apathie oder Gefühllosigkeit?
    Angélique ließ sich nicht täuschen. Sie wusste, dass dahinter
eine angeborene Beherztheit steckte, ein sturer Überlebenswille. Früher war sie selbst davon besessen gewesen und konnte das verstehen.
    Das, was zwischen den beiden war, vereinte sie inniger als das Band zwischen Schwestern. Manche Bilder konnte man einfach nicht aus dem Gedächtnis wischen.
     
    In einer eiskalten Nacht auf dem Friedhof der Unschuldigen Kinder hatte Angélique Rosine mit nackten Brüsten unter den Frauen des Großen Coesre Rolin-le-Trapu gesehen. Und Rosine hatte Angélique neben dem Ungeheuer knien sehen, dem sie die Kehle durchgeschnitten hatte, die blutige Klinge in der Hand.
     
    Schrei nicht! Sonst muss ich dich auch töten, hatte sie Angélique sagen gehört.
    Zusammen waren sie dann Hals über Kopf durch die nächtliche Stadt geflüchtet.
     
    »Rosine«, sagte Angélique schließlich. »Versprich mir, dass du mich irgendwie benachrichtigst, wenn du mich brauchst. Dann komme ich, so schnell ich kann. Ich werde alles stehen und liegen lassen, um dir

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