Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
Vom Netzwerk:
mutig sind, es mit bösen Geistern aufzunehmen und ihnen die Stirn zu bieten. Aber er ging mit den Dämonen quasi so um, als hätte er eine Meute aufsässiger, verschlagener Hunde zu dressieren. Er scheuchte sie auf, er erriet sie hinter den Klienten, die kamen, um ihn um Hilfe zu bitten, und nach allen möglichen Zeremonien schickte er sie – die Dämonen –zurück. Man wusste nicht, wohin. Sicher war jedenfalls, dass seine Klienten bald frei von ihnen waren und sich vieles in ihrem Leben veränderte. Das war das Geld, das man hineinstecken musste, schon wert.
    »Du glaubst mir nicht! Du glaubst mir nicht!«, zeterte die Polackin, als sie die unentschlossene Miene sah, mit der Angélique ihre Vorschläge aufnahm.
    Erneut meinte Angélique, die Kirche sei für den Exorzismus zuständig.
    »Ja, für die großen Dämonen, für den Teufel schon«, bestätigte die Polackin mit gelehrter Miene. »Aber für die kleinen, alltäglichen Dämonen, die uns das Leben sauer machen, gibt es keinen Besseren als Maître Ludovicus, glaub mir!«
     
    An einem nebligen Oktoberabend hatte einst eine Stimme, die von einem Stand kam, an dem das Horn von einem Einhorn glänzte, dem Advokaten Desgrez zugerufen: »Sagt ihr, dass ich sie von dem Fluch, der auf ihr lastet, befreien möchte …«
     
    Mit einem Mal begann die Polackin sich hektisch zu bekreuzigen.
    »Es ist sehr schlecht, von solchen Dingen zu sprechen!«
    Sie rannte in den Saal im unteren Stockwerk hinunter und schickte Mort-aux-Rats in die kleine Kirche Saint Cosme, um Weihwasser zu holen.
    Angélique trat mit den Kindern zu ihr und fragte, warum sie das Wasser nicht aus der Abtei Saint-Germain holen lasse, die näher liege.
    Wie sich herausstellte, mochte die Polackin die »schwarzen Mönche« nicht, die ihre Nachbarn waren. Dagegen beherbergte die Saint-Cosme-Kirche die Zunft der Barbiere und Chirurgen, deren Schutzheilige St. Cosmas und St. Damian waren. Jeden Montag wurden gratis die Kranken versorgt, deren Zustand nur einfache Behandlungen erforderte.
     
    Mort-aux-Rats kehrte mit einigen Kannen Weihwasser zurück. Damit wurden die beiden Kinder überschüttet, und man besprengte auch das Zimmer, in dem sie in dem großen, mit gestohlenen Mänteln ausgepolsterten Koffer schliefen, reichlich damit. Calembredaine war nicht da. Man wusste nicht, was er von dieser Zeremonie gehalten hätte, aber der spanische Meuchelmörder galt als der Gläubigste aus der Gesellschaft. Mort-aux-Rats erstaunte alle durch seine Fähigkeit, enorme Mengen an Nahrung zu verschlingen und doch mager wie ein Skelett zu bleiben. Calembredaine sagte, Mort-aux-Rats sei teuer im Unterhalt, doch er schätzte das Geschick, mit dem er sein langes Rapier führte. Er hatte Calembredaine schon bei vielen Gelegenheiten ungestüm und heftig verteidigt.
    Er hatte in seiner Jugend eine schreckliche Probe überstehen müssen, mit der er sich religiöse Verdienste erwerben sollte. Der Magister erzählte die Geschichte an seiner Stelle, als Lehre für alle.
    »Satt sein! Diese beiden Worte stellen für ihn die Kunst
des Lebens dar. Die Lektion hat er in den furchtbaren Nächten gelernt, in denen er Brot backen musste, aber nicht davon kosten durfte. Die Leiden auf dem Schlachtfeld, die er später unter den ›tercios‹ erlebt hat, der spanischen Elite-Infanterie, waren nichts im Vergleich zu dem, wozu man ihn gezwungen hatte, um Gott zu dienen.«
    Heute wusste der Spanier, dass es nicht Besseres als das Essen gab. Es war zu befürchten, dass sein alter Dienstherr, ein Adliger aus Kastilien, auf seine alten Tage zu demselben Schluss kam, zur Strafe dafür, dass er in seiner Jugend kein Mitleid mit den Schwächen des Fleisches gehabt hatte. »Aber der Spanier sagte, das sei ein großes Unglück, denn die Seelen wie die des kastilischen Edelmanns seien das Salz der Erde, und ihr Verfall sei traurig für alle. Seht diesen Mann an…«, schloss der Magister und unterdrückte ein Lachen, »und ihr werdet verstehen, warum Franzosen und Spanier so vollkommen unterschiedlich sind.«

Kapitel 9
    D er September begann kalt und regnerisch. »Da kommt der Winter, der Mörder«, jammerte Pain-Noir und flüchtete sich, in seine feuchten Lumpen eingehüllt, ans Feuer. Im Kamin zischte das feuchte Holz. Ausnahmsweise warteten die Bürger und Kaufleute von Paris in diesem Jahr nicht bis Allerheiligen, sondern holten schon früher ihre Winterkleider hervor und gingen zum Aderlass. Die Traditionen der Hygiene verlangten, dass man

Weitere Kostenlose Bücher