Angélique - In den Gassen von Paris
dieser leidenschaftlichen Liebe würde man dort das strahlendste Zeugnis zum Ruhme des Sonnenkönigs errichten.
Dieses tiefe und kaum erklärbare Bestreben Ludwigs XIV., sein erklärter Wille und das unbedingte Beharren darauf, dass Nicolas Fouquet die Todesstrafe erhalten müsse, und das in einer Angelegenheit, in der die zahllosen Freunde und Klienten des steinreichen Herrn von Vaux-le-Vicomte bei ihm allerhöchstens ein Übermaß an Prunksucht und ein paar Unregelmäßigkeiten in den Büchern zu erkennen vermochten, dies alles sollte den sensiblen französischen Adel, der enttäuscht und bestürzt war, noch lange zeichnen.
Fouquet würde ein langer Prozess gemacht werden. Er würde nicht im Justizpalast vor Gericht gestellt, sondern im Arsenal. Und man würde ihn nicht in der Bastille inhaftieren.
Man würde das allzu agile Eichhörnchen in eine Festung im fernen Piemont mit Namen Pignerol sperren. Sie war von Ludwig XIII. erobert und später an Richelieu abgetreten worden, um den Herzog von Savoyen zu überwachen und um erkennen zu können, ob möglicherweise spanische Armeen aus Neapel oder Mailand heranrückten, um in die Franche-Comté und dann nach Flandern zu marschieren.
Angélique hatte keine Zeit, lange über diese neuen Ereignisse nachzudenken. Das Schicksal wollte, dass der Sturz des Mannes, dem Joffrey de Peyrac insgeheim geopfert worden war, nur kurz auf seinen Sieg folgte. Doch für Angélique war es zu spät. Sie versuchte gar nicht, sich zu erinnern, zu verstehen … Die Großen zogen vorüber, schmiedeten Intrigen und begingen Verrat, wurden erneut in Gnaden aufgenommen oder verschwanden. Ein junger, gebieterischer und undurchschaubarer König schwang seine Sense und ließ Köpfe rollen. Und die kleine Giftschatulle lag noch immer in einem Türmchen in Schloss Plessis-Bellière versteckt …
Angélique de Peyrac war nur noch eine namenlose Frau, die ihre Kinder ans Herz drückte und ängstlich das Heranrücken des Winters beobachtete.
Der Hof ähnelte einem Ameisenhaufen, der durch einen plötzlichen Fußtritt zerstört worden ist. Doch auch in der Gaunerzunft brodelte es. Man erwartete einen neuen Kampf, der entsetzlich zu werden versprach. Und während die Königin und die Blumenhändlerinnen vom Pont-Neuf auf die Geburt eines Dauphins warteten, kamen die Zigeuner nach Paris …
Diese Schlacht auf dem berühmten Jahrmarkt von Saint-Germain, die dieses Ereignis am Tag der Eröffnung besudelte, sollte später alle verwirren, die nach einer Erklärung suchten.
Man sah Lakaien, die Studenten verprügelten, Edelmänner, die Gaukler mit dem Schwert aufspießten, Frauen wurden vergewaltigt, Kutschen gingen in Flammen auf. Alles in allem hatte niemand eine Ahnung, wo die erste Brandfackel angezündet worden war.
Doch ein Einziger ließ sich nicht täuschen: ein Bursche
namens Desgrez, ein gebildeter Mann mit einer bewegten Vergangenheit. Desgrez hatte soeben den Rang eines Hauptmanns im Châtelet erhalten. Er wurde gefürchtet, und es hieß, er sei einer der fähigsten Polizisten der Hauptstadt. In der Folge sollte der junge Mann sich in der Tat auszeichnen, indem er die Verhaftung der vielleicht größten Giftmischerin ihrer Zeit – und vielleicht aller Zeiten –vornahm, der Marquise de Brinvilliers, und im Jahre 1678 würde er als Erster den Schleier heben, der über der berühmten Giftaffäre lag, deren Enthüllung sogar die Stufen des Throns beschmutzen würde.
Unterdessen wurden derzeit, Ende 1661, in geheimen Berichten Desgrez und sein Hund Sorbonne als die beiden Bewohner von Paris bezeichnet, die alle Schlupfwinkel und die gesamte Fauna der Stadt am besten kannten.
Schon seit langem verfolgte Desgrez die Rivalität zwischen den beiden mächtigen Gaunerhauptmännern Calembredaine und Rodogone dem Ägypter, bei der es vor allem um den Besitz des Jahrmarkts von Saint-Germain ging. Er wusste, dass sie außerdem in der Liebe Rivalen waren und um die Gunst einer Frau mit smaragdgrünen Augen wetteiferten, die man die Marquise der Engel nannte.
Kurz vor der Eröffnung des Jahrmarktes witterte er strategische Bewegungen in der Unterwelt.
Obwohl sein Rang niedrig war, gelang es ihm noch am Morgen, an dem der Jahrmarkt eröffnet wurde, seinen Vorgesetzten die Erlaubnis abzuringen, sämtliche Polizeikräfte der Hauptstadt in Faubourg Saint-Germain zusammenzuziehen. Er konnte zwar den Ausbruch der Kämpfe nicht verhindern, die sich äußerst rasch und gewalttätig
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