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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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Florimond ein Lächeln zu entlocken. Vater Hurlurot und Mutter Hurlurette tanzten für ihn, was ihre alten Beine nur hergeben wollten. Pain-Noir lieh ihm seine Pilgermuscheln zum Spielen. Vom Pont-Neuf brachte man ihm Orangen, Kuchen und Windräder aus Papier mit. Ein kleiner Auvergner zeigte ihm sein Murmeltier, und einer der Gaukler vom Markt in Saint-Germain kam und ließ seine acht dressierten Ratten zu seiner Fiedel Menuett tanzen.
    Aber Florimond fürchtete sich und hielt sich die Augen zu. Der Einzige, der ihn zerstreuen konnte, war Piccolo, der Affe. Doch zum Lächeln brachte auch er ihn nicht, trotz seiner Grimassen und Kapriolen.
    Die Ehre, dieses Wunder zu vollbringen, hatte schließlich Thibault-le-Vielleur. Eines Tages spielte der Alte das Lied von der »Grünen Mühle«. Angélique, die Florimond auf dem Schoß hielt, spürte, wie der Kleine zusammenfuhr und zu ihr aufschaute. Seine Lippen zitterten und entblößten Zähne, die so winzig wie Reiskörner waren. Und dann sagte er mit einer leisen, rauen Stimme, die von weither zu kommen schien.
    »Mama!«

     
    Die Ankunft der Kinder hatte Angéliques Freundschaft mit der Polackin besiegelt.
    Erstaunt stellte Angélique fest, dass sie dieser Frau, die nichts überraschen konnte, erklärte, warum sie ihre Kinder hatte verlassen müssen. Sie erzählte ihr sogar, wie sie in den Gängen des Louvre zweimal fast ermordet worden wäre.
     
    »Siehst du«, meinte die Polackin. »Eine Frau muss immer einen Dolch bei sich tragen.«
    Sie war empört, als sie hörte, dass Angéliques Mann auf der Place de Grève verbrannt worden war.
    »Ein Edelmann… verbrannt?! Das ist doch verboten! Adligen schlägt man den Kopf ab. Bei Maître Aubin und seiner großen Axt hat man wenigstens die Gewissheit, dass er nicht danebenschlägt!«
     
    Sie ließ sich lange über Maître Aubin aus.
    Am Hof der Wunder hatte der Henker eine wichtigere Stellung inne als der König von Frankreich. Er war ihrer aller Herr, denn schließlich musste jeder damit rechnen, eines Tages mit ihm zu tun zu bekommen.
    Stets hatten die Pariser seine hochgewachsene, rot gekleidete Gestalt vor Augen, die um die Ecke des Kirchplatzes bog und den Karren dirigierte, mit dem ein Verurteilter zur Hinrichtung gefahren wurde. Unvermeidlich, eines Tages von ihm verhört zu werden. Diejenigen, die schon mit ihm zu tun gehabt hatten, oder auch nur mit seinen Helfern, sprachen von seinem gleichmütigen Blick, den er nie direkt auf etwas richtete. Auf der Place du Pilori senkte sich eine eigentümliche Stille über die Verkaufsstände, wenn er vorüberging.
    Die Polackin, die – beeindruckt von den Vorträgen, die der Magister ihnen hielt – gern gewählte Worte verwendete,
sagte von Maître Aubin: »Er ist ein Hermetiker.« Sie hatte eine Art zu sprechen, die ihren Ansichten das Siegel der Wahrheit aufdrückte und sehr dramatisch klang.
    Angélique hörte zu. Die Polackin hatte recht. Man konnte sich die Kraft und Ausstrahlung des Henkers vorstellen, seine Ohren, die alles hörten, seinen Mund, der Geheimnisse verbarg, die er gekrönten Häuptern oder den infamsten Halunken, die die Erde je hervorgebracht hatte, unter Schmerzensgeheul entrissen hatte. All diese Foltern, bei denen – man wusste eigentlich nicht genau, warum –kein Blut fließen durfte.
    »Mach dir keine Gedanken über deinen Mann«, meinte die Polackin noch. »Der Wasserfolter hat man ihn jedenfalls nicht unterzogen, denn die ist den Frauen vorbehalten.«
    Sie fand, dass das Unglück, das Angélique hatte erdulden müssen, jedes Maß überstieg.
    »Du hast zu viel Pech«, erklärte sie eines Tages. »Du solltest den Magier vom Justizpalast aufsuchen, Maître Ludovicus. Er müsste dich von den Dämonen befreien können, die dich verfolgen.«
     
    Angélique erschauerte und verlangte, dass die Polackin weitersprach.
    »Kümmert sich um so etwas nicht die Kirche?«
    »Um die großen, die ganz schlimmen Dämonen schon. Aber für die alltäglichen, die uns das Leben vergällen, gibt es niemand Besseren als Maître Ludovicus. Es heißt, dass sogar der königliche Siegelbewahrer Séguier sich Rat bei ihm holt.«
    Maître Ludovicus, erklärte sie, sei ein Gelehrter der bedeutendsten Wissenschaft, die für die Menschen am nützlichsten sei, nämlich der Kunst, die Dämonen zu beherrschen.
Er betrieb sein Geschäft in der Händlergalerie des Justizpalasts, und man stand Schlange, um seine Hilfe zu erhalten. Es gibt nur wenige Männer, die so gewitzt und

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