Angélique - In den Gassen von Paris
Wein vor«, fügte er stutzerhaft hinzu.
»Vorsicht, Wasser!«, schrie jemand über ihnen. Sie hatten gerade noch Zeit, zur Seite zu springen, um der übelriechenden Dusche aus dem Weg zu gehen. Angélique hatte den Arm des Lehrlings ergriffen und spürte, dass er zitterte.
»Ich wollte Euch sagen«, stotterte er hastig, »dass ich noch nie so eine … eine schöne Frau gesehen habe wie Euch.«
»Aber sicher hast du das, mein armer Junge«, erwiderte sie gereizt. »Du brauchst dich nur umzuschauen, statt an den Fingernägeln zu kauen und Trübsal zu blasen. Wenn du mir unterdessen einen Gefallen tun willst, erzähl mir lieber von deiner Schokolade, statt mir überflüssige Komplimente zu machen.«
Doch als sie seine jämmerliche Miene sah, versuchte sie, ihn zu trösten. Sie sagte sich, dass sie ihn nicht vollkommen verprellen durfte. Mit diesem Patentbrief, den er besaß, konnte er noch interessant werden.
»Leider bin ich kein fünfzehnjähriges Mädchen mehr, mein Junge«, meinte sie lachend. »Schau, ich bin eine alte Frau und habe schon weißes Haar.«
Unter ihrer Haube zog sie die Haarsträhne hervor, die im Lauf der entsetzlichen Nacht in Faubourg Saint-Denis auf so merkwürdige Weise ergraut war.
»Wo ist Flipot?«, fuhr Angélique fort und sah sich um. »Streunt der kleine Halunke etwa schon wieder herum?«
Sie war ein wenig besorgt, denn sie fürchtete, angesichts dieser Menschenmengen würde Flipot versucht sein, die Lehren von Jactance-le-Coupe-Bourse in die Tat umzusetzen.
»Nicht nötig, dass Ihr Euch Gedanken um den kleinen Schurken macht«, meinte David in verbittertem, eifersüchtigem Ton. »Gerade eben habe ich gesehen, wie er ein Zeichen mit einem von Schwären bedeckten Bettler ausgetauscht hat, der vor der Kirche um Almosen bettelte. Dann ist er verschwunden … und hat seinen Tragekorb mitgenommen. Mein Onkel wird einen Wutanfall bekommen!«
»Du siehst immer alles viel zu schwarz, mein armer David.«
»Ich habe eben nie Glück.«
»Gehen wir ein Stück zurück, wir werden den Strolch schon finden.«
Doch da tauchte der Kleine bereits im Laufschritt wieder auf. Angélique fand ihn niedlich mit seinen lebhaften Augen eines Pariser Spatzen, seiner roten Nase unter seinen struppigen, langen Haaren, die unter einem großen, zerdrückten Hut hervorschauten. Sie hing an ihm, genau wie an dem kleinen Linot, den sie schon zweimal aus Jean-Pourris Klauen gerissen hatte.
»Stell dir nur vor, Marquise der Engel«, keuchte Flipot und vergaß in seiner Aufregung alle Vorsicht. »Weißt du, wer unser neuer Großer Coesre ist? Cul-de-Bois, ja, meine Liebe, unser Cul-de-Bois aus der Tour de Nesle!«
Er senkte die Stimme und fügte mit ängstlichem Flüstern hinzu:
»Und sie haben zu mir gesagt: Passt auf euch auf, ihr Knirpse, die ihr euch hinter den Röcken einer Verräterin versteckt!«
Angélique spürte, wie ihr das Blut stockte.
»Glaubst du, sie wissen, dass ich Rolin-le-Trapu getötet habe?«
»Davon haben sie nichts gesagt. Aber… Pain-Noir hat davon geredet, dass du den Ägyptern die Polizei auf den Hals geschickt hättest.«
»Wer war dabei?«
»Pain-Noir, Pied-Léger, drei alte Weiber von uns und zwei Burschen aus einer anderen Bande.«
Die junge Frau und der Knabe hatten diese Worte in der Gaunersprache gewechselt, die David zwar nicht verstand, deren bedrohliche Untertöne er jedoch ohne Mühe erkannte. Diese geheimnisvolle Verbindung seiner neuen Liebe zu dieser schwer fassbaren, allgegenwärtigen Unterwelt, die in Paris eine große Rolle spielte, erfüllte ihn mit Sorge und Bewunderung zugleich.
Auf dem Rückweg sagte Angélique kein Wort, doch sobald sie durch die Tür der Bratküche getreten war, schüttelte sie entschlossen ihre Ängste ab.
Mein Mädchen, sagte sie sich, es ist sehr gut möglich, dass du eines schönen Morgens mit durchschnittener Kehle aufwachst oder in der Seine treibst. Aber in dieser Gefahr schwebst du schon lange. Wenn nicht die Fürsten dir ans Leder wollen, dann die Gauner! Ach, was soll’s! Du musst kämpfen, selbst wenn dieser Tag dein letzter sein sollte. Mit Problemen wird man nur fertig, wenn man sich Hals über Kopf hineinstürzt und auch ein wenig von sich selbst opfert. Hat nicht Sieur Molines mir einst genau das Gleiche gesagt?
»Vorwärts, Kinder«, rief sie laut, »die Damen von der Blumeninnung sollen dahinschmelzen wie Butter in der Sonne, sobald sie diese Schwelle überschreiten.«
Die Damen waren in der Tat
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