Angélique - In den Gassen von Paris
resignierten Blick zu. Der Knabe zwinkerte, dann wies er vielsagend mit dem Finger auf den Kochlehrling.
»Dem hast du den Kopf verdreht!«
Die junge Frau vermochte ein Lächeln nicht zu unterdrücken und zog ihn mit sich nach draußen.
Na, das wird sicher keine einfache Zusammenarbeit, sagte sich Angélique. Der Bursche ist ein wenig lahm und steckt mitten in der Umwälzung der Jugend. Schön, wenn er aufdringlich wird, bekommt er eben eines hinter die Ohren. Außerdem kann ich mir vorstellen, dass er gar nicht so dumm ist, wie er aussieht, zumindest, was seine kulinarischen Talente angeht. Und darauf kommt es schließlich an.
Überrumpelt, jammernd, gegen seinen Willen gerührt und fasziniert von Angéliques gebieterischem Auftreten, war Meister Bourjus bereit, ihr eine gut gefüllte Geldbörse zu überlassen.
»Wenn Ihr Angst habt, ich könnte Euch bestehlen, könnt Ihr ja mit mir in die Markthallen kommen«, erklärte sie ihm, »aber es wäre schon besser, wenn Ihr hierbleibt, um Kapaune, Puten, Enten und Braten vorzubereiten. Versteht Ihr, die Damen, die sich bald hier einstellen werden, wollen einen Rahmen vorfinden, der ihnen Vertrauen einflößt. Eine leere oder mit verstaubtem Geflügel geschmückte Auslage, ein schmutziger und nach kaltem Tabakrauch stinkender Gastraum und eine Atmosphäre von Armut und Not –all das wird Leute, die üppig tafeln wollen, nicht locken. Da kann ich Ihnen die außergewöhnlichsten Speisen in Aussicht stellen, sie würden mir nicht glauben.«
»Aber was willst du denn heute Morgen überhaupt einkaufen, wenn du sagst, dass diese Personen noch gar nicht über das Menü entschieden haben?«
»Ich will die Dekoration kaufen.«
»Die… was?«
»Alles, was es braucht, damit Eure Bratküche verlockend aussieht: Hasen, Fisch, Würste, Obst und schönes Gemüse.«
»Aber ich bin kein Gastwirt«, jammerte der Dicke. »Ich bin BRATKOCH. Willst du, dass die Innungen der Gastwirte und der Pastetenbäcker mir Schwierigkeiten machen?«
»Was sollen sie Euch denn antun?«
»Frauen verstehen einfach nichts von diesen ernsten Angelegenheiten«, stöhnte Meister Bourjus und reckte die kurzen Ärmchen zur Decke. »Die Oberen der Innungen werden mir einen Prozess anhängen und mich vor Gericht zerren. Kurz gesagt, du hast wohl vor, mich zu ruinieren!«
»Ach, das seid Ihr doch schon«, erwiderte Angélique. »Ihr habt also nichts zu verlieren, wenn Ihr einmal etwas anderes probiert und Euch ein wenig bewegt. Bringt Euer Geflügel auf den Weg und macht dann einen Spaziergang zum Grève-Hafen. Ich habe gehört, wie ein Ausrufer verkündet hat, es seien schöne Fässer aus Burgund und der Champagne angeliefert worden.«
Die Markthalle von Paris stand in dem Ruf, gut sortiert zu sein, außer – wie böse Zungen behaupteten – »in Zeiten der Hungersnot, des Krieges, der Pest und des Aufstands«. Sie zeichnete sich vor allem durch die Üppigkeit und die Vielfalt der angebotenen Waren aus. In diesem Viertel herrschten starke Gerüche und eine verschwenderische, chaotische Fülle, die zum einen eine wohlüberlegte Auswahl erschwerten und auch das Treiben der Beutelschneider begünstigten.
Als Angélique auf dem Platz mit dem Pranger eintraf, hatten die Beamten der königlichen Intendanz soeben ihre Gebühren eingetrieben, und der Henker hatte seine Runde an den Ständen beendet, die ihm Abgaben schuldeten, entweder aufgrund eines alten Privilegs oder weil sie ihm praktisch gehörten.
Das war die beste Zeit für die Frühaufsteherinnen unter den Hausfrauen. Angélique nutzte die Gelegenheit, die Hasen mit dem braunen Fell zu betasten, die erst im Morgengrauen in Vaugirard geschossen worden und noch ganz warm waren, den Duft von Käse und Melonen einzuatmen und die silbrig blitzenden Fische zu untersuchen, die, in Eis frischgehalten, von der normannischen Küste mindestens zwei Tage unterwegs gewesen waren.
Sie tätigte ihre Einkäufe, ohne sich allzu sehr von den Händlerinnen übervorteilen zu lassen, die das große Wort
führten und sich in ihrer Kunst, schüchternen Kundinnen alte oder schlechte Ware zu verkaufen, durchaus mit den Quacksalbern vom Pont-Neuf messen konnten.
Sie versuchte, sich mit dieser neuen Welt vertraut zu machen; doch dies wurde durch David erschwert, der unablässig zeterte.
»Das ist viel zu schön! Und dieses ist viel zu teuer. Was soll mein Onkel dazu sagen?«
»Papperlapapp!«, fuhr sie ihn schließlich an. »Schämst du dich nicht als Sohn des
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