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Angélique - In den Gassen von Paris

Angélique - In den Gassen von Paris

Titel: Angélique - In den Gassen von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Golon
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Haus die Fröhlichkeit und den Schwung zurückgebracht, die hier einst meine fromme, gute Frau verbreitet hat. Und das hat mich auf eine Idee gebracht. Komm einmal kurz mit mir.«
    Mit einem verschwörerischen Zwinkern forderte er sie auf, ihm zu folgen. Angélique ging hinter ihm die Wendeltreppe des Hauses hinauf. In der ersten Etage hielten sie an, und als Angélique in das Eheschlafzimmer von Meister Bourjus trat, stieg eine Angst in ihr auf, die sie bis dahin nie gespürt hatte. Der Bratkoch wollte doch wohl –nachdem sie dabei war, zu einem so vorteilhaften Ersatz für seine Ehefrau zu werden – nicht von ihr verlangen, dass sie diese schwierige Rolle noch auf anderen Gebieten übernahm?
    Sein strahlendes Gesicht war nicht dazu angetan, sie zu
beruhigen. Er schloss die Tür und ging mit geheimnisvoller Miene auf den Kleiderschrank zu.
    Panisch fragte sich Angélique, wie sie mit dieser katastrophalen Situation fertigwerden sollte.
    Würde sie ihre schönen Pläne in den Wind schreiben, dieses behagliche Dach über dem Kopf verlassen und erneut mit ihren zwei Kindern und ihrem traurigen kleinen Häuflein von dannen ziehen müssen?
    Oder sollte sie nachgeben? Bei dem Gedanken glühten ihre Wangen. Beklommen schaute sie sich in dem kleinbürgerlichen Schlafzimmer um. Da waren das große Bett mit den Vorhängen aus grünem Serge, zwei einfache Stühle ohne Armlehnen und der Waschtisch aus Nussbaumholz, auf dem eine Waschschüssel und eine silberne Kanne standen.
    Über dem Kamin hingen zwei Gemälde, die Szenen aus der Passion Christi darstellten, und auf Halterungen waren die Waffen ausgestellt, die der Stolz jedes bürgerlichen Handwerkers waren: zwei kleine Gewehre, eine Muskete und eine Arkebuse, eine Pike sowie ein Schwert, dessen Stichblatt und Heft aus Silber bestanden.
    So phlegmatisch der Wirt des Kecken Hahns sich auch im täglichen Leben zeigte, war er doch Sergeant bei der Bürgermiliz, worauf er sich viel zugutehielt. Im Gegensatz zu vielen seiner Standesgenossen begab er sich gern ins Châtelet, wenn er mit dem Wachdienst an der Reihe war.
    Angélique hörte ihn in dem kleinen Nebenraum keuchen und laut herumkramen.
    Als er wieder erschien, schob er eine große Truhe aus schwärzlichem Holz vor sich er.
    »Hilf mir doch mal, Mädchen.«
    Sie fasste an, und gemeinsam zogen sie den Kasten in die Mitte des Raums.

    Meister Bourjus tupfte sich die Stirn ab.
    »So«, sagte er, »ich dachte… Du hast mir schließlich selbst erklärt, für das Festmahl müssten wir uns alle herausputzen wie die Schweizer Gardisten. David, die beiden Knaben und ich selbst stehen Gewehr bei Fuß. Ich werde meine braune Seidenhose anziehen. Aber du, mein armes Mädchen, machst uns trotz deines hübschen Gesichtchens keine Ehre. Und da kam ich auf die Idee …«
    Zögernd unterbrach er sich und öffnete dann die Truhe. Da lagen, sorgfältig geordnet und mit einem Lavendelzweig parfümiert, Meisterin Bourjus’ Röcke, ihre Mieder, ihre Hauben, ihre Halstücher und ihre schöne Überhaube aus schwarzem, mit Atlasstücken besetztem Tuch.
    »Sie war ein wenig breiter als du«, meinte der Bratkoch mit erstickter Stimme. »Aber wenn du die Sachen mit Nadeln absteckst…«
    Mit einem Finger zerdrückte er eine Träne.
    »Steh da nicht und glotz mich an«, polterte er mit einem Mal. »Such dir etwas aus.«
     
    Angélique hob die Kleidungsstücke der Verstorbenen hoch. Bescheidene Ensembles aus Serge oder Halbseide waren das, doch die Samtbordüren und bunten Futterstoffe und das feine Leinenzeug zeigten, dass die Wirtin des Kecken Hahns gegen Ende ihres Lebens eine der wohlhabendsten Geschäftsfrauen ihres Viertels gewesen war. Sie hatte sogar einen kleinen Muff aus rotem, mit goldenen Rankenornamenten besticktem Samt besessen, den Angélique jetzt mit unverhohlenem Vergnügen über ihr Handgelenk streifte.
    »Eine Grille«, meinte Meister Bourjus nachsichtig lächelnd. »Sie hatte ihn in der Galerie des Justizpalasts gesehen und lag mir damit in den Ohren. ›Amandine‹, habe ich zu ihr gesagt, ›was willst du denn mit diesem Muff? Er
ist für eine feine Dame aus dem Marais-Viertel gemacht, die an einem sonnigen Wintertag in den Tuilerien oder dem Cours-de-la-Reine herumstolziert.‹ Und was hat sie mir geantwortet? ›Schön, dann werde ich eben in den Tuilerien oder dem Cours-de-la-Reine herumstolzieren.‹ Das hat mich in Rage gebracht. Ich habe ihn ihr dann zum Geburtstag geschenkt. Wie sie sich gefreut hat! Wer hätte

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