Angelique und der Koenig
Soldat auf seiner Querpfeife ein schwermütiges Ritornell zu spielen. Angélique erschauerte. Wie gut es wäre, auf und davon zu gehen, Versailles und seine Feste zu verlassen, den König nicht mehr sehen zu müssen.
»Philippe«, murmelte sie, »wann werdet Ihr heimkehren? Wann werden wir lernen, miteinander zu leben?«
Er schob sie von sich und betrachtete sie ironisch.
»Miteinander leben?« wiederholte er. »Lässt sich das mit der Stellung eines königlichen Feldmarschalls und einer großen Dame bei Hof vereinbaren?«
»Aber ich möchte den Hof verlassen und mich nach Schloss Plessis zurückziehen.«
»So seid ihr Frauen! Es gab einmal eine Zeit, in der ich Euch händeringend bat, nach Plessis zurückzukehren, aber Ihr hättet Euch lieber in Stücke zerhacken lassen, als mir zu gehorchen. Jetzt ist es zu spät!«
»Was wollt Ihr damit sagen?«
»Ihr habt gewichtige Ämter. Sie niederlegen hieße den König verstimmen.«
»Des Königs wegen will ich ja fort, Philippe. Der König…«
Aufsehend entdeckte sie, dass sein Blick starr geworden war, als sei er ihr plötzlich ferngerückt.
»Der König…«, wiederholte sie mit stockender Stimme.
Sie wagte sich nicht weiter vor und begann sich mechanisch zu entkleiden. Philippe schien in tiefes Nachdenken versunken.
»Nach dem, was der König ihm heute abend gesagt hat, wird er begreifen«, dachte sie, »wenn er nicht schon begriffen hat... seit langem... lange vor mir, vielleicht?«
Während sie sich anschickte, mit bebenden Händen ihr Haar zu lösen, trat er zu ihr und stieß die beiden Arme nicht zurück, die sie um seine Schultern schlang.
Die Hände des jungen Mannes suchten die geschmeidigen Formen des schönen Körpers, den sie, nackt unter dünnem Stoff, darbot. Er strich über die gewölbten Hüften, den weichen Rücken und kehrte zu den blühenden, seit ihrer letzten Niederkunft ein wenig schwer gewordenen, doch immer noch festen und gespannten Brüsten zurück.
»In der Tat – ein Bissen für einen König!« sagte er hart.
Angélique presste sich heftig an ihn.
»Philippe! Philippe!«
Lange Zeit blieben sie stumm und wie von einer unaussprechlichen Besorgnis heimgesucht.
Jemand rief draußen:
»Herr Marschall! Herr Marschall!«
Philippe trat zum Eingang des Zeltes.
»Soeben ist ein Spion festgenommen worden«, berichtete der Bote atemlos. »Seine Majestät verlangt nach Euch.«
»Geht nicht, Philippe«, beschwor ihn Angélique.
»Das wäre noch schöner, wenn ich dem Ruf des Königs nicht Folge leistete«, widersprach er lachend. »Krieg ist Krieg, meine Schöne. Nicht Euretwegen, der Feinde Seiner Majestät wegen bin ich hier.«
Über einen Spiegel gebeugt, glättete er seinen blonden Schnurrbart und schnallte den Degen wieder um.
»Wie lautete doch jener Refrain, den Euer Sohn Cantor sang? Ach, ja:
Leb wohl, mein Herz, leb wohl, mein Lieb,
du meine Augenweide.
Da wir dem König Untertan,
lass scheiden uns denn beide…«
Vergeblich wartete sie in jener Nacht im golddurchwirkten Zelt auf ihn, und schließlich schlief sie auf dem weichgepolsterten Diwan ein. Beim Erwachen drang das Tageslicht so hell durch die Zeltwände, dass sie annahm, draußen scheine die Sonne. Doch als sie hinaustrat, sah sie, dass es ein nebliger, trüber Morgen war. Es hatte geregnet. Das morastige Lager war so gut wie verlassen. Aus der Ferne drangen Hornrufe und der ununterbrochene Donner der Kanonade herüber. Malbrant Schwertstreich brachte Angéliques Reitpferd, und ein Soldat wies ihr den Weg zu einer Anhöhe.
»Von da droben, Madame, könnt Ihr die Operationen verfolgen.«
Auf der Anhöhe fand sie Monsieur de Salnove vor, der seine Truppen am Rande des Steilhangs verteilt hatte. Zur Rechten vom grau verhüllten Himmel sich abhebend, an dem die Sonne eben zaghaft hervorzubrechen begann, drehte eine Windmühle gemächlich ihre Flügel. Auf dem Kamm angelangt, hatte Angélique das schon vertraute Panorama eines belagerten Marktfleckens mit seinen Mauern, seinen schiefergedeckten Häusern und gotischen Kirch- und Tortürmen vor sich. Das matt schimmernde Band eines Flusses zog sich mitten hindurch. Die französischen Batterien waren ein Stück weiter talaufwärts in Stellung gebracht worden; drei Reihen Kanonen waren zu erkennen. Sie sicherten die sturmbereiten Infanterieformationen, deren Pulvertönnchen und Piken das blasse Sonnenlicht funkelnd auffingen. Ein Meldereiter überquerte die Ebene im Galopp. Eine bunt schillernde Gruppe bewegte sich vor den vordersten Linien.
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