Angelique und der Koenig
angenehme Überraschung!« sagte der König, während er leicht den Kopf neigte. »Ich denke, die Königin wird sich ebenso freuen wie ich.«
»Ich habe Ihrer Majestät meine Aufwartung gemacht, und Sie hat geruht, mir ihre Befriedigung zum Ausdruck zu bringen.«
»Ich teile sie durchaus, Madame.«
Mehr Worte waren bei der Begrüßung nicht gefallen, und Angélique begegnete schadenfrohen Blicken, als sie sich unter das Gefolge mischte und liebenswürdig für die Willkommensworte dankte, die hier und dort an sie gerichtet wurden. Dabei musterte sie neugierig die Toiletten der Damen, deren Neuerungen ihr beim ersten Blick auffielen. Ihre eigene schien ihr im Vergleich zu ihnen plötzlich provinziell und unmodern. War es der Einfluss Madame de Montespans, die, endlich zu der Stellung gelangt, in der sie ihre Fähigkeiten zeigen konnte, die Mode und das Hofleben in die Hand nahm und allem den Stempel ihrer Phantasie, ihres originellen, spritzigen Geistes aufprägte?
Später, im Salon der Venus, in dem die königliche Tafel gedeckt war, sah Angélique sie unter den Prinzen sitzen, lachend und plaudernd, durch witzige Bemerkungen Gelächter auslösend und durch ein Wort jedem Gelegenheit gebend, seinerseits zu glänzen.
Sie war wirklich eine große Dame. Mit unnachahmlicher Eleganz und bewundernswerter Gelöstheit trug sie nicht nur die Last ihrer neuen Vorrechte, sondern auch die eines königlichen Bastards, der zu Beginn des neuen Jahres erwartet wurde. Die Gesichter in ihrem Umkreis wirkten entspannt. Überhaupt schien der Hof fröhlicher und weniger steif geworden, und die Etikette war, wenn sie auch nach wie vor peinlich beobachtet wurde, wie vom Hauch der Grazie eines um den lächelnden Gott sich bewegenden antiken Balletts aufgelockert.
Heute war »Großes Gedeck«. Das Volk durfte den König speisen sehen. Respektvoll drängte es sich am Saaleingang vorbei und erfreute sich am frohen Gesicht seines Souveräns. In flüsternden Bemerkungen schrieb man diese Aufheiterung der allgemeinen, durch die Geburt des zweiten Prinzen, Philippes, Herzogs von Anjou, ausgelösten Freude zu, der im September zur Welt gekommen war und mit der jetzt zehn Monate alten ›Petite Madame‹ Marie-Thérèse die königliche Familie aufs glücklichste vervollständigte.
Doch machte man einander auch auf Madame de Montespan aufmerksam. Wahrhaftig, ein schönes und amüsantes Frauenzimmer…!
Bürger, Händler und Handwerker verließen das Schloss und machten sich, in ihre derben Wollmäntel gehüllt und mit von der Kälte geröteten Nasen, auf den Heimweg nach Paris, insgeheim sich geschmeichelt fühlend, dass ihr Monarch eine so schöne Mätresse hatte.
Nach Beendigung der Mahlzeit kam Florimond höchst aufgeregt und stolz zu seiner Mutter gelaufen.
»Habt Ihr gesehen, Frau Mutter, wie gut ich mein Amt verrichte? Bisher hielt ich nur das Tablett, jetzt darf ich die Kanne tragen und den Wein probieren. Ist das nicht herrlich? Wenn eines Tages jemand versuchen sollte, den König zu vergiften, würde ich für ihn sterben…«
Angéliques Genugtuung über sein rasches Vorankommen wurde noch durch Monsieur Duchesne, den Mundschenk, verstärkt, der ihr erklärte, dass er mit Florimond sehr zufrieden sei. Trotz seiner ungezwungenen Art entledige er sich seiner Pflichten mit großer Gewissenhaftigkeit. Er sei der jüngste Page, aber auch der gewandteste, lege eine rasche Auffassungsgabe und ein ausgeprägtes Taktgefühl an den Tag und wisse zur gegebenen Zeit zu reden oder zu schweigen. Ein vollendeter Hofkavalier in spe! Leider sei die Rede davon, ihn aus dem Dienst des Königs zu nehmen, denn der Dauphin habe sich mit dem Verlust seines Lieblingskameraden nicht abgefunden. Monsieur de Montausier sei dieserhalb bereits beim Monarchen vorstellig geworden, der seinerseits mit dem Obermundschenk gesprochen habe. Es bestehe die Absicht, den Jungen beide Ämter ausüben zu lassen.
»Das ist zuviel für ihn«, protestierte Angélique. »Er muss schließlich die Zeit haben, lesen zu lernen.«
»Oh, dann fällt eben das Latein weg! Erlaubt es mir, Frau Mutter, erlaubt es mir!« drängte Florimond ungestüm.
Sie zuckte lächelnd die Schultern und versprach, es sich zu überlegen. Nach sechs Monaten sah sie ihn zum ersten Mal wieder. Zweimal hatte er sie auf Plessis besucht. Sie fand ihn noch hübscher geworden und von sicherem, anmutigem Auftreten. Ein wenig schmal war er freilich – wie alle Pagen lebte er von den gelegentlich erhaschten Resten der
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