Angelique und der Koenig
über die Ehrerbietung, die er dem Unbekannten erwies. Wer er auch sein mochte, er war ein ritterlicher Mann.
Da die Tür des Kabinetts mangelhaft schloss, verriet sich näherndes Stimmengemurmel, dass der vorhergehende Besucher eben verabschiedet wurde, und Angélique spitzte unwillkürlich die Ohren.
»Vergesst nicht, Monsieur de Gourville, dass Ihr in Portugal der geheime Vertreter des Königs von Frankreich sein werdet und dass Adel verpflichtet«, hörte sie Monsieur Colbert sagen.
»Gourville?« dachte Angélique. »War das nicht einer der Komplicen des verurteilten Oberintendanten? Ich glaubte, er sei geflohen und in contumaciam (in Abwesenheit) zum Tode verurteilt…«
Ein Edelmann, dessen obere Gesichtshälfte eine schwarze Maske verbarg, erschien auf der Schwelle, vom Minister aufs zuvorkommendste geleitet. Mit einer leichten Verbeugung ging er an ihr vorbei. Monsieur Colbert runzelte die Stirn. Er schwankte einen Augenblick zwischen dem Unbekannten und der jungen Frau, doch als der erstere zur Seite trat, verdüsterte sich die Miene des Ministers noch mehr. Er bedeutete Angélique einzutreten und schlug ihren Begleitern brüsk die Tür vor der Nase zu.
Er setzte sich und forderte auch seine Besucherin auf, in einem der Sessel Platz zu nehmen. Eine Weile herrschte beklemmendes Schweigen. Während sie seine eisige Miene, seine mürrisch zusammengekniffenen Augenbrauen betrachtete, erinnerte sich Angélique, dass Madame de Sévigné ihn scherzhaft »Nordwind« zu nennen pflegte. Sie lächelte. Monsieur Colbert zuckte zusammen, fassungslos über Angéliques Unbefangenheit.
»Könnt Ihr mir sagen, Madame«, begann er, »aus welchem Grunde Ihr gestern dem Botschafter von Persien, Seiner Exzellenz Bachtiari Bey, einen Besuch abgestattet habt?«
»Wer hat Euch davon in Kenntnis gesetzt?«
»Der König.«
Er nahm von seinem Schreibtisch ein Schriftstück auf und wendete es ein paar Mal zwischen seinen Fingern ärgerlich hin und her.
»Ich habe heute früh dieses Schreiben vom König bekommen, in dem er mich ersucht, Euch unverzüglich vorzuladen, um von Euch eine Erklärung zu fordern. Was hat Euch also dazu veranlasst, den Vertreter des Schahs von Persien aufzusuchen?«
»Die Neugier.«
Colbert fuhr abermals hoch.
»Damit wir uns recht verstehen, Madame. Die Sache ist ernst! Die Beziehungen zwischen dieser schwierigen Persönlichkeit und Frankreich sind derart prekär geworden, dass diejenigen, die ihm einen Besuch abstatten, in den Verdacht kommen können, sich als Feinde zu betätigen.«
»Lächerlich! Bachtiari Bey schien mir darauf erpicht zu sein, den größten Monarchen der Welt zu begrüßen und die Schönheiten Versailles’ zu bewundern.«
»Ich glaubte, er sei im Begriff, wieder zurückzureisen, ohne auch nur sein Beglaubigungsschreiben überreicht zu haben«, sagte der Minister erstaunt.
»Nichts täte er weniger ungern. Ein bisschen mehr Taktgefühl auf seiten all dieser Flegel, die man ihm beigegeben hat, Torcy, Saint-Amon und Konsorten…«
»Ihr redet leichtfertig über erfahrene Diplomaten, Madame. Wollt Ihr behaupten, sie verstünden nichts von ihrem Handwerk?«
»Sie verstehen die Perser nicht, das jedenfalls ist sicher. Bachtiari Bey hat auf mich den Eindruck eines… wohlmeinenden Mannes gemacht.«
»Warum weigert er sich dann zu erscheinen?«
»Weil er meint, dass man ihn nicht gebührend empfängt, dass es kränkend für ihn sei, sich in einer Kutsche mit Wachen an den Wagenschlägen zu präsentieren.«
»Das ist doch das übliche Empfangszeremoniell.«
»Er mag es nicht.«
»Was mag er dann?«
»Paris zu Pferd durchqueren, auf einem Meer von Rosenblättern, von der gesamten Einwohnerschaft begrüßt, die sich vor ihm auf den Boden geworfen hat.«
Und da der Minister stumm blieb: »Kurz gesagt, Monsieur Colbert, es hängt von Euch ab.«
»Von mir?« sagte er bestürzt. »Aber ich verstehe nichts von den Fragen der Etikette.«
»Ich ebensowenig. Aber ich weiß immerhin, dass es besser ist, die Etikette den besonderen Umständen anzupassen, als sich ein für das Königreich günstiges Bündnis entgehen zu lassen.«
»Erzählt mir die Sache in allen Einzelheiten«, sagte Colbert, während er sich mit einer nervösen Bewegung in den Kragen fuhr. Angélique gab ihm eine kurze Schilderung ihrer burlesken Unternehmung, wobei sie es jedoch unterließ, die Mumia auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Colbert hörte mit finsterer Miene zu. Er lächelte auch nicht, als sie ihm berichtete, dass Seine
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