Angelique und der Koenig
locken.
Der ältere der beiden Polizeibeamten mischte sich ein: »Bedaure, Madame, aber wir müssen Euch allein mitnehmen. Befehl des Königs.«
Angéliques Herz begann heftig zu klopfen.
»Bin ich verhaftet?«
»Ich weiß es nicht, Madame. Ich kann Euch nur sagen, dass ich Euch nach Saint-Mandé bringen soll.«
Die junge Frau zerbrach sich den Kopf, während sie in ihre Kutsche stieg. Saint-Mandé? Was gab es in Saint-Mandé? Ein Kloster vielleicht, in dem man sie für immer einsperren wollte? Und aus welchem Grunde? Vermutlich würde sie es nie erfahren! Was sollte nur aus Florimond werden? Saint-Mandé…? Hatte dort nicht der frühere Oberintendant der Finanzen, der berüchtigte Fouquet, sich eines seiner Lusthäuser bauen lassen? Erleichtert seufzte sie auf, denn ihr fiel ein, dass der König Fouquets Besitz nach dessen Verhaftung und Einkerkerung seinem Nachfolger Colbert übereignet hatte. Gewiss steckte Colbert hinter dieser Geschichte. Merkwürdige Art, eine junge Frau in sein Landhaus einzuladen. Sie würde ihm gehörig die Meinung sagen, und wenn er hundertmal Minister war.
Doch dann überkam sie von neuem Besorgnis. Sie hatte in ihrer Umgebung so viele plötzliche und unerklärliche Verhaftungen erlebt. Zuweilen waren die Verhafteten kurze Zeit danach strahlend wiederaufgetaucht. Alles war bereinigt worden. Doch in der Zwischenzeit hatte man ihren Besitz beschlagnahmt und in ihren Papieren gewühlt. Angélique hatte nicht die geringsten Vorkehrungen zur Sicherstellung ihres Vermögens getroffen.
»Das soll mir eine Lehre sein«, sagte sie sich, »Wenn ich mit heiler Haut davonkomme, werde ich in meinen geschäftlichen Angelegenheiten vorsichtiger sein.«
Nachdem die Kutsche die schmutzigen Straßen von Paris hinter sich gelassen hatte, rollte sie auf der gefrorenen Landstraße rascher dahin. Die ihrer Blätter beraubten und von Eiszapfen starrenden Eichen verrieten die Nähe des Waldes von Vincennes. Endlich erschien zur Rechten die Fassade des einstigen Wohnsitzes Fouquets, der minder prächtig war als der von Vaux, dessen »unziemlicher« Luxus jedoch einen der Hauptanklagepunkte gegen den Finanzmann gebildet hatte, der seitdem in den tiefsten Gründen einer Festung des Piémont schmachtete.
Ruhig und beherrscht betrat Angélique den Flügel des Schlosses, in dem der derzeitige Oberintendant seine Amtsräume hatte, und wurde in ein kleineres, dürftig ausgestattetes Vorzimmer geführt, in dem sich nur ein einziger Bittsteller befand, den sie noch nie bei Hofe gesehen hatte. Es war ein Ausländer, ein Perser offenbar, seiner dunklen Hautfarbe und den ein wenig schräg stehenden schwarzen Augen nach, die ihm etwas Asiatisches verliehen. Aber er war auf europäische Art gekleidet, soviel der weite, abgetragene Mantel erkennen ließ, in den er sich hüllte. Nur seine Stiefel aus rotem Leder und das mit weißem Schafspelz gesäumte Samtbarett verrieten seine exotische Herkunft. Sie sah, dass er einen Degen trug.
Er erhob sich und verneigte sich tief vor ihr, ohne sich darum zu kümmern, dass sie von zwei Profossen eskortiert wurde. In korrektem, aber die ›r‹ gewaltig rollendem Französisch bot er ihr an, hinter ihr zurückzustehen.
Auf gar keinen Fall lasse er zu, dass eine so reizende Dame länger als ein paar Minuten an einem so trübseligen Orte warte. Beim Sprechen zeigte er eine Reihe blendendweißer Zähne unter einem schmalen, tiefschwarzen Schnurrbart, dessen Spitzen leicht zu den Mundwinkeln herabgebogen waren.
In Frankreich trug man, abgesehen von den älteren Herren der Generation des Barons Sancé, schon lange keine so großen Schnurrbärte mehr. Jedenfalls hatte Angélique noch nie einen dermaßen beunruhigenden, verwegenen und barbarischen wie den des Unbekannten gesehen. Er faszinierte sie geradezu. Jedes Mal, wenn sie verstohlen zu dem Fremden hinübersah, schenkte er ihr ein strahlendes Lächeln und bestand von neuem darauf, dass sie vor ihm eintreten müsse.
Der ältere der beiden Polizeibeamten wandte sich ihm schließlich zu:
»Madame ist Euch gewiss sehr dankbar, Monseigneur«, sagte er, »aber vergesst nicht, dass der König Euch in Versailles erwartet. An Eurer Stelle würde ich Madame bitten, sich ein paar Augenblicke länger zu gedulden.«
Der Fremde schien nicht verstanden zu haben und fuhr fort, Angélique mit einem herausfordernden Lächeln zu fixieren, was ihr allmählich peinlich wurde.
Sie wunderte sich weniger über die Unhöflichkeit des Polizisten ihr gegenüber als
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