Angelique und der Koenig
lag.
Der Fürst erzählte, er habe seinen gesamten Besitz aufgegeben, um sich ganz seinem unglücklichen, gequälten Volk zu widmen. Er habe eine Rebellion organisiert, um den König von Ungarn zu stürzen, der zum deutschen Kaiser geflüchtet sei.
»Dieses Land liegt also in Europa«, dachte sie.
»So war Ungarn eine Zeitlang Republik. Dann kam die Unterdrückung. Es war grauenhaft! Ich wurde von meinen Anhängern für ein Stück Brot denunziert. Aber ich konnte fliehen und fand in einem Kloster Unterschlupf. Darauf ging ich über die Grenze, wurde überall gehetzt, bis ich schließlich nach Frankreich kam, wo ich freundschaftliche Aufnahme fand.«
»Das freut mich für Euch. Wo lebt Ihr in Frankreich?«
»Nirgends, Madame. Ich irre umher wie meine Ahnen. Ich warte darauf, nach Ungarn zurückkehren zu können.«
»Aber dort droht Euch der Tod!«
»Ich werde dennoch zurückkehren, sobald mir Euer König die Mittel bewilligt hat, eine neue Revolte anzuzetteln.«
»Wie könnt Ihr erwarten, unser König werde Euch Geld geben, um Euch in die Lage zu versetzen, einen anderen König zu stürzen? Er verabscheut solche Umwälzungen.«
»Im eigenen Lande vielleicht. Aber bei den andern ist ein Empörer eine Schachfigur, die vorzuschieben zuweilen Nutzen bringt. Und ich bin voller Hoffnung.«
Angélique betrachtete ihn nachdenklich.
»Ihr scheint mir so etwas wie ein Apostel zu sein«, sagte sie. »Seht Euch vor! Apostel enden am Kreuz.«
Der Fürst gab feurig ihren Blick zurück.
»Ein Apostel muss Junggeselle sein. Ich hingegen möchte eine Familie gründen, aber in Freiheit. Ich denke daran, seitdem ich Euch gesehen habe. Werdet meine Frau und lasst uns gemeinsam fliehen!«
Angélique reagierte auf die natürliche Art der Frauen in einer heiklen Situation: sie lachte und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung.
»Ihr werdet fürs erste genug damit zu tun haben, den König für Euren Plan zu gewinnen.«
In das Gesicht des Ungarn kam ein fanatischer Zug.
»Er wird mich anhören, weil er das doppelte Spiel der großen Politik treiben kann. Er unterzeichnet den Frieden mit Holland und ermuntert England, jenem den Krieg zu erklären. Er verhandelt mit Portugal, um Spanien, mit dem er ein Bündnis abgeschlossen hat, im Rücken zu treffen. Und er braucht mich, den Fürsten Rakoski, um den deutschen Kaiser zu schwächen. Obwohl er ebendiesen Kaiser im Kampf gegen die Türken unterstützt hat. Er ist ein sehr großer König, verschwiegen und schlau. Niemand kennt ihn. Und er wird aus Euch allen seelenlose Marionetten machen.«
Angélique war von den Worten des Ungarn zutiefst betroffen, und sie lauschte ihm fasziniert.
»Wenn man Euch reden hört, weiß man nicht, ob Ihr ihn hasst oder bewundert.«
»Ich bewundere ihn als Mensch. Er ist der königlichste aller Könige, die ich kennengelernt habe. Gottlob ist er nicht der meinige. Denn derjenige, der ihn von seinem Thron herunterreißt, muss erst noch geboren werden.«
»Ihr habt eine wunderliche Mentalität. Ihr redet wie ein Herumtreiber vom Jahrmarkt von Saint-Germain, der nichts andres im Sinn hat, als mit Königsköpfen Kegel zu spielen.«
Der Fürst amüsierte sich über ihre Bemerkung.
»Ich liebe die Fröhlichkeit der Franzosen. Wenn ich durch Paris schlendere, bin ich überrascht, wie vergnügt alle Leute sind, denen ich begegne. Kein Handwerker in seiner Bude, der nicht bei der Arbeit singt oder eine Melodie pfeift. Sie haben mir gesagt, dass sie es täten, um ihr Elend zu vergessen. Die Gesichter, die man hinter den Scheiben der Kutschen sieht, sind weniger vergnügt. Weshalb? Haben die Großen dieses Königreichs nicht einmal das Recht, zu singen, um ihr Elend zu vergessen?«
Die Kutsche war vor dem Hôtel du Beautreillis angelangt. Angélique überlegte, wie sie ihren Gast verabschieden sollte, ohne ihn zu verletzen, als er schon von allein aus dem Wagen sprang und ihr die Hand reichte, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.
»Dies also ist Euer Haus. Ich hatte ein Palais in Budapest.«
»Ihr vermisst es nicht?«
»Erst wenn man sich von seinem Besitz gelöst hat, beginnt man das Leben richtig zu genießen. Madame, vergesst nicht, was ich Euch gefragt habe.«
»Was denn?«
»Ob Ihr meine Frau werden wollt.«
»Soll das ein Scherz sein?«
»Nein. Ihr haltet mich für einen Narren, weil Ihr den Umgang mit leidenschaftlichen und aufrichtigen Menschen nicht gewohnt seid. Eine lebenslange Leidenschaft kann in einer Sekunde auflodern. Warum sie nicht gleich gestehen?
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