Angelique und der Koenig
übernachten können. Morgen wird sie schon irgendein Fuhrwerk in die Stadt mitnehmen, wo sie dann nur in Eure Stallungen zu gehen brauchen, um sich wieder in den Sattel zu schwingen.«
»Natürlich. Nichts einfacher als das«, sagte Angélique, die allmählich in Zorn geriet. »Ihr scheint Euch einzubilden, meine Ställe seien mit Pferden vollgepfropft und ich könne sie mir nichts, dir nichts an alle persischen Fürsten der Welt verschenken…«
Savary ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Er grinste verschmitzt wie ein kleiner Kobold.
»Hehe! Ich sehe da an Eurem Finger ein Steinchen, das bestimmt fünf, wenn nicht gar zehn Vollblutpferde wert ist.«
Verärgert barg Angélique die Hand, an der der Türkis glänzte, unter ihrem Umhang. Meister Savary schwang sich höchst belustigt in den Sattel, während die Lakaien ihrer Herrin behilflich waren, hinter ihm aufzusitzen.
»Sagt, was Ihr wollt, Madame«, fuhr der alte Mann fort, nachdem das Pferd sich in gemächlichen Trab gesetzt hatte, »Ihr habt Euch mit Bachtiari Bey viel besser verstanden, als Ihr zugeben mögt.«
»Absolut nicht! Ich kann mich nicht mit einem Manne verstehen, der es für normal hält, mit den Köpfen seiner Mitmenschen zu jonglieren, und der mich, nachdem er mich liebenswürdig bewirtet hat, ohne die leiseste Entschuldigung vor die Tür setzen lässt.«
»Das ist unwesentlich und eine Frage der Konvention, Madame. Für die Muselmanen ist das Leben, das sie in vollen Zügen zu genießen behaupten, von geringerem Wert als für die Christen. Allah erwartet uns an der Schwelle des Todes. Einen Sklaven mit einem Säbelhieb ins Jenseits befördern – bedeutet das nicht, ihm großmütig die Freiheit schenken und ihm zugleich zum Paradies verhelfen? Denn der Koran gewährt es den von ihren Fürsten persönlich hingerichteten Bedienten. Ich bin überzeugt, dass Bachtiari Bey Euren Besuch in angenehmster Erinnerung behalten wird. Aber schließlich seid Ihr ja nur eine Frau!« schloss Meister Savary mit ausgesprochen orientalischer Verächtlichkeit.
Zweiunddreißigstes Kapitel
Völlig erschöpft, schlief Angélique noch am andern Morgen um zehn Uhr tief und fest, als jemand an ihre Tür klopfte.
»Madame, Ihr werdet verlangt.«
»Lasst mich in Ruhe!« rief sie.
Sie schlief wieder ein, tauchte wollüstig in einen leisen Schlummer, in dessen unruhigem Auf und Ab sie sich ebenso geschaukelt fühlte wie auf dem Rücken von Meister Savarys Pferd. Schließlich schlug sie widerwillig die Augen auf. Javotte schüttelte sie mit erschrockener Miene.
»Madame, die beiden Offiziere lassen sich nicht abweisen. Sie verlangen, sofort empfangen zu werden.«
»Sie sollen warten... bis ich ausgeschlafen habe.«
»Madame«, sagte Javotte mit zitternder Stimme, »ich habe Angst. Diese Kerle sehen mir ganz danach aus, als seien sie gekommen, um Euch zu verhaften.«
»Mich verhaften?«
»Sie haben Wachtposten an den Ausgängen des Hauses aufstellen lassen und befohlen, man solle Eure Kutsche für Euch anspannen.«
Angélique setzte sich auf und bemühte sich, ihre Sinne zu sammeln. Was wollte man von ihr? Die Zeiten waren vorbei, in denen Philippe ihr einen seiner üblen Streiche hätte spielen können. Erst vor zwei Tagen war ihr vom König der »Schemel« gewährt worden... Es bestand also kein Grund, die Nerven zu verlieren.
Nachdem sie sich eilends angekleidet hatte, empfing sie die beiden Offiziere, die, wie Javotte richtig vermutete, der königlichen Polizei angehörten. Sie überreichten ihr einen Brief, dessen Siegel sie trotz ihrer zur Schau getragenen Sicherheit mit fiebriger Hand erbrach. Der Inhalt besagte, der Empfänger dieses Schreibens möge der Person folgen, die es ihr überbringe. Da unten auf dem Blatt das Siegel des Königs angebracht war, stellte es, wenn nicht alles trog, tatsächlich einen Verhaftungsbefehl dar. Die junge Frau war wie vor den Kopf geschlagen. Sofort kam ihr der Gedanke, das Opfer eines Komplotts zu sein, das den Namen des Königs missbrauchte, um ihr desto mehr zu schaden.
Argwöhnisch fragte sie:
»Wer hat Euch diesen Brief übergeben und Euch Befehle erteilt?«
»Unsere Vorgesetzten, Madame.«
»Und was habe ich zu tun?«
»Uns zu folgen, Madame.«
Angélique wandte sich ihren Leuten zu, die sich rings um sie versammelt hatten, und hieß Malbrant Schwertstreich, den Haushofmeister Roger und drei weitere Bediente ihre Pferde satteln. Sie sollten sie zu ihrem Schutz begleiten, falls man versuchen würde, sie in einen Hinterhalt zu
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