Angelique und der Koenig
Die Franzosen zwängen ihre Gefühle wie ihre Frauen in Zwangsjacken. Kommt mit mir. Ich werde Euch befreien.«
»Ich hänge aber an meiner Zwangsjacke«, sagte Angélique lachend.
»Adieu, Monsieur, Ihr bringt mich dazu, Dummheiten zu sagen.«
Dreiunddreißigstes Kapitel
Am Vormittag nach Versailles zurückgekehrt, begab sich Angélique sofort zur Königin, um in Erfahrung zu bringen, ob sie das bescheidene Amt der stellvertretenden Kammerfrau noch innehabe. Man sagte ihr, die Königin sei mit ihren Hofdamen ins Dorf Versailles hinuntergegangen, um den Gemeindepfarrer zu besuchen. Die Königin lege den Weg dorthin in der Sänfte, die Damen zu Fuß zurück, sie könnten noch nicht weit sein.
Angélique machte sich auf, sie einzuholen. Während sie das nördliche Parterre überquerte, geriet sie in einen Hagel von Schneebällen, und als sie sich nach dem sonderbaren Spaßvogel umwandte, wurde sie von einem neuen Geschoss voll getroffen. Sie schwankte, glitt aus und fiel der Länge nach in den Schnee.
Aus vollem Halse lachend, tauchte Péguillin de Lauzun hinter einem Gebüsch auf. Angélique war wütend.
»Ich bin der Meinung, für solche Dummejungenscherze seid Ihr allmählich wirklich zu alt. Helft mir wenigstens, wieder hochzukommen.«
»Ich denke nicht daran!« rief Péguillin, fiel über sie her, rollte sie im Schnee, küsste sie, kitzelte sie mit seinem Muff an der Nase und setzte ihr so zu, dass sie nur noch lachend um Gnade betteln konnte.
»Das ist schon besser«, sagte er und stellte sie wieder auf die Füße.
»Ich habe Euch mit grimmiger Miene daherkommen sehen, und das passt weder zu Versailles noch zu Eurem reizenden Gesichtchen. Lacht! Lacht doch!«
»Péguillin, habt Ihr den schweren Schicksalsschlag vergessen, der mich vor kurzem getroffen hat?«
»Ja, den habe ich vergessen«, sagte Péguillin leichthin.
»Man muss vergessen, wie man uns vergessen wird, wenn wir an der Reihe sind, vor unserem Schöpfer Rechenschaft abzulegen. Im übrigen wärt Ihr nicht an den Hof zurückgekehrt, wenn Ihr nicht die Absicht hättet, zu vergessen. So, genug philosophiert. Kindchen, Ihr müsst mir helfen.«
Er nahm sie beim Arm und zog sie mit sich in den Irrgarten der gestutzten Buchsbäume, die der Winter in eine Armee hübsch anzusehender Zuckerbrote verwandelt hatte.
»Der König hat soeben seine Zustimmung zu unserer Eheschließung gegeben«, erklärte er geheimnisvoll.
»Welcher Eheschließung?«
»Nun! Zu der zwischen Mademoiselle de Montpensier und jenem unbedeutenden gascognischen Edelmann, der sich Péguillin de Lauzun nennt. Seid Ihr denn nicht im Bilde? Sie ist unsterblich verliebt in mich. Zu verschiedenen Malen hat sie den König beschworen, seine Einwilligung zu unserer Heirat zu geben. Die Königin, Monsieur und Madame haben Zeter und Mordio geschrien und erklärt, eine solche Verbindung tue der Würde des Throns Abbruch. Pah! Der König ist gerecht und gütig. Er mag mich gern. Außerdem glaubt er, nicht das Recht zu haben, einer Verwandten das Zölibat aufzuerlegen, die sich mit ihren dreiundvierzig Jahren ohnehin keine Hoffnung mehr auf eine illustre Hand machen kann. Schließlich hat er, dem Gezeter jener Weibsbilder zum Trotz, ja gesagt.«
»Ist das wirklich Euer Ernst, Péguillin?«
Sie blieb stehen, um betrübt das ihr so vertraute, noch immer jugendliche Gesicht mit den maliziös funkelnden Augen zu betrachten.
»Mein heiliger Ernst!« rief Péguillin aus. »Ich werde Herzog von Montpensier sein und eine prächtige Apanage beziehen. Seine Majestät ist im Begriff, an alle Höfe zu schreiben, um die Vermählung seiner Kusine anzukündigen. Angélique, das übertrifft meine ehrgeizigsten Träume: der Vetter Seiner Majestät zu werden! Ich kann noch gar nicht daran glauben. Das ist es, warum mir himmelangst wird und weshalb Ihr mir helfen müsst.«
»Aber es scheint doch alles zum besten zu stehen.«
»Das Glück ist launisch! Solange ich nicht mit Mademoiselle verehelicht bin, werde ich nicht ruhig schlafen. Ich habe viele Feinde: die königliche Familie, die Prinzen von Geblüt, Monsieur de Condé und seinen Sohn, den Herzog von Enghien... Könntet Ihr von Eurem Charme Gebrauch machen, um auf der einen Seite den Fürsten zu besänftigen, bei dem Ihr einen Stein im Brett habt, auf der anderen dem König zuzureden, der sich womöglich von ihrem Geschrei beeinflussen lässt? Madame de Montespan hat mir bereits ihre Unterstützung zugesagt, aber ich bin mir ihrer nicht so ganz sicher. Ich glaube,
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