Angelique und der Koenig
In knapp drei Stunden würde Madame Hamelin, die Alte mit dem Spitzenhäubchen, durch die Gänge des Schlosses gehen, um die Vorhänge des königlichen Alkovens zurückzuziehen. Und Ludwig XIV würde sein Tagewerk beginnen. Noch hatte Angélique seine harmonische, ein wenig schleppende Stimme im Ohr, die die Frucht seiner zugleich so verborgenen und umfassenden Gedanken darlegte. Sie sagte sich, dass er etwas Heroisches an sich habe, gleich den Fürsten der italienischen Renaissance. Denn wie sie war er jung, selbstsicher, verführerisch, liebte den Ruhm und begeisterte sich für das Schöne…
Das Raunen seiner Stimme verfolgte sie, und sie fühlte sich durch diese Nacht an ihn gefesselt, stärker, als sie es durch seine Küsse gewesen war.
Fünfunddreißigstes Kapitel
Auf einen Wink Bachtiari Beys zog sich der Armenier Agobian mit einer tiefen Verbeugung zurück und ließ Angélique mit seinem Herrn allein. Angélique hatte einen anstrengenden Vormittag hinter sich. In aller Frühe hatte sie sich nach Suresnes begeben und war in der Villa des Sieur Dionis mit allen Ehren empfangen worden, die das bescheidene Quartier des Botschafters der nunmehr offiziellen Abgesandten des Königs zu bieten vermochte. Ein »djerid naz«, ein persischer Reiterkampf, war für sie veranstaltet worden, bei dem sich der Fürst als ebenso geschickter und hartnäckiger Widersacher erwies wie bei der folgenden Unterredung, die noch einmal um die ärgerlichen Missverständnisse zwischen ihm und dem französischen Hofe kreiste. Doch Angélique war es schließlich gelungen, ihn zu besänftigen, und mit einem nicht misszuverstehenden feurigen Blick hatte er zum Abschluss gesagt: »Wenn meine Mission erfolgreich sein sollte, dann weiß ich, was ich mir von Eurem König als Geschenk erbitten werde…«
Hinter dem Türvorhang entstand eine Bewegung, und man vernahm die schrillen Töne von Querpfeifen.
»Da kommen meine Diener für das Bad. Nach dem anstrengenden djerid naz ist es eine Wohltat, Waschungen vorzunehmen«, sagte Bachtiari Bey. Zwei schwarze Sklaven trugen ein großes Kupferbecken mit heißem Wasser herein, gefolgt von weiteren Bedienten, die Handtücher und Flakons mit wohlriechenden Essenzen und Salben brachten. Bachtiari Bey folgte ihnen in den anstoßenden Raum, wo sich vermutlich die türkischen Bäder befanden, die der Sieur Dionis hatte einrichten lassen. Angélique hätte gar zu gern einen Blick hineingeworfen, aber ihre Neugier erschien ihr anstößig. In gewissen Momenten war ihr bei Bachtiari Beys Blicken nicht ganz geheuer gewesen, und je tiefer sie in seine morgenländische Mentalität eindrang, desto mehr wurde sie in ihrer Empfindung bestärkt, dass ihre Vermittlerrolle Gefälligkeiten, um nicht zu sagen Verpflichtungen einschloss, die zu erfüllen sie keineswegs gesonnen war.
Sie spielte mit dem Gedanken, sich zurückzuziehen. Sie würde zu verstehen geben, dass die französischen Sitten ihr nicht erlaubten, länger als zwei Stunden allein mit einem Manne zusammen zu sein. Sofern der Perser nicht etwa in Zorn geriet und in ihrem Aufbruch nicht eine neue Kränkung sah, was die Situation, die sie bereinigen sollte, natürlich aufs neue verschlimmern würde.
Als sie sich anschickte aufzustehen, stürzte der kleine Page herzu. Offenbar war er beauftragt, sich um sie zu kümmern. Er brachte ein Tablett mit Süßigkeiten, holte eilends weitere Kissen, die er ihr hinter den Rücken und unter die Arme schob, ergriff eine kleine, mit glühenden Kohlen gefüllte Räucherpfanne, streute eine Handvoll Pulver darauf und reichte sie ihr kniend dar, um sie den blauen, wohlriechenden Rauch einatmen zu lassen. Nein, es war wirklich besser, sie ging. Dieser von schweren, ungewohnten Düften erfüllte Raum, dieser Fürst mit seinen schwarzen, brennenden Augen, seiner gefährlichen Anmut, seiner Würde, hinter der sich unvermutete Zornanfälle verbargen – sie hatten viel zuviel Verführerisches.
Der kleine Page gab sich verzweifelte Mühe. Er nahm die Deckel der vergoldeten Schalen ab, entkorkte die Flakons aus blauem Porzellan und ermunterte die Besucherin, wie ein Vogel zwitschernd, sich zu bedienen. Als letztes Mittel führte er ihr eine kleine silberne Tasse an die Lippen, die eine gelbgrüne Flüssigkeit enthielt. Sie trank und fand, dass sie nach der Angelika schmeckte, die auf den Wiesen des Poitou wuchs. Die Vielfalt der Süßigkeiten lockte sie, sie kostete von allem, verlangte nach dem Halbgefrorenen mit Früchten, das in
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