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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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empfangen, wen ich will, ohne dass dieses Zeichen meines Interesses sofort die Aufregung der Coterie, eine Palastrevolution oder gar politische Umtriebe hervorruft... Ja, die Nacht ist eine unersetzliche Komplicin der Könige!« Er verstummte. Er stand vor ihr und lehnte sich zwanglos an den Tisch, die Beine halb gekreuzt. Seine Hände bedurften nicht der Stütze. Sie blieben ruhig, sparsam mit Gesten. Und Angélique bewunderte, dass dieser Mann, der kaum schlief, der den ganzen Tag über repräsentierte, arbeitete, Besuche empfing, tanzte, jagte, sich für die schwierigsten Probleme interessierte und sein Augenmerk auf die geringsten Einzelheiten richtete, keinerlei Nervosität verriet.
»Ich liebe Euren Blick«, sagte der König unvermittelt.
»Eine Frau, die einen Mann auf solche Weise ansieht, flößt ihm unbändigen Mut, unbändigen Stolz ein, und wenn dieser Mann König ist, macht sie ihm Lust, die ganze Welt zu erobern.«
Angélique musste lachen.
»So viel fordern Eure Völker gar nicht von Euch, Sire. Ich meine, es genügt ihnen, wenn Ihr ihnen innerhalb ihrer Grenzen den Frieden sichert. Frankreich erwartet von Euch nicht die Anstrengungen Alexanders.«
»Da irrt Ihr Euch. Reiche kann man nur auf die gleiche Weise sichern, wie man sie erobert; durch Festigkeit, Wachsamkeit und Mühen. Glaubt im Übrigen nicht, dass ich die Verpflichtungen, von denen ich Euch sprach, als drückende Last empfände. Der Beruf des Königs ist edel, groß und köstlich für den, der sich fähig fühlt, alles, was er unternimmt, zu einem guten Ende zu führen... Aber nun genug davon, ich habe Eure Aufmerksamkeit, Eure Geduld schon zu lange in Anspruch genommen. Und ich sehe den Augenblick kommen, wo Ihr mir voll ins Gesicht schaut und sagt: Ich bin müde!«
»O Sire! Ich habe das Gefühl, dass Ihr mich für einen der ungezogensten Menschen des Hofes haltet. Ich habe Euch doch mit so leidenschaftlicher Anteilnahme zugehört.«
»Ich weiß es. Verzeiht mir meine Neckerei. Auch weil Ihr so wunderbar zuzuhören versteht, habe ich Euch gern bei mir. Ihr werdet sagen: Wer hört dem König nicht zu? Jedermann schweigt, wenn er spricht. Das ist richtig. Doch gibt es verschiedene Arten zuzuhören, und ich spüre nur allzu häufig die Unterwürfigkeit meiner Gesprächspartner, ihre törichte Bereitschaft, mir zuzustimmen. Ihr aber, Ihr hört mit dem Herzen zu, mit allen Euren Verstandeskräften und mit dem Willen, zu begreifen. Das weiß ich zu schätzen. Oft fällt es mir schwer, jemand zu finden, demgegenüber ich mich aussprechen kann, und doch ist es so nützlich. Im Reden arbeitet der Geist seine Gedanken aus. Die Unterhaltung, die ihn anregt und befeuert, führt ihn unmerklich von Gegenstand zu Gegenstand, weiter als einsames Nachdenken es vermöchte, und eröffnet ihm tausend neue Aspekte. Doch genug für heute. Ich will Euch nicht länger festhalten.«
Hinter der Geheimtür schlief Bontemps auf einer Bank den leichten, unbequemen Schlaf der Diener. Er war sofort auf den Beinen. In umgekehrter Richtung legte Angélique noch einmal den Weg durch das nächtliche Labyrinth zurück, und bevor sie sich von dem Kammerdiener trennte, übergab sie ihm den Leibrock seines Herrn. In ihrem Zimmer war die Kerze, die sie brennend zurückgelassen hatte, im Verlöschen, und ihr flackerndes Licht warf breite Schatten an die Decke. In ihrem Schein entdeckte Angélique eine bleiche Maske vor dem dunklen Hintergrund der Wand und zwei Hände, durch deren Finger die Perlen eines Rosenkranzes liefen. Die ältere der Demoisellen de Gilandon wachte gottesfürchtig in Erwartung der Rückkehr ihrer Herrin.
»Was tut Ihr hier, Kleine! Ich habe Euch nicht gerufen«, sagte Angélique ärgerlich.
»Der Hund bellte. Ich wollte mich erkundigen, ob Ihr etwas wünscht, und da Ihr keine Antwort gabt, fürchtete ich, Ihr könntet krank sein.«
»Ich hätte ja auch schlafen können. Ihr habt zuviel Phantasie, Marie-Anne. Muss ich Euch anempfehlen, verschwiegen zu sein?«
»Das ist selbstverständlich, Madame. Braucht Ihr irgend etwas?«
»Da Ihr nun einmal auf seid, facht das Feuer an und legt ein paar Kohlen in das Becken, um mein Bett anzuwärmen. Ich bin völlig durchgefroren.«
»Wenigstens bildet sie sich auf diese Weise nicht ein, dass ich aus einem anderen Bett komme«, dachte sie.
»Aber was mag sie sich dann vorstellen? Hoffentlich hat sie Bontemps nicht erkannt, als er mir die Tür hielt…«
Der kurze Schlummer, den sie ersehnte, wurde ihr nicht beschieden.

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