Angelique und der Koenig
einem Eiskästchen kühl gehalten wurde, und wollte sogar aus dem Nargileh rauchen. Doch als der kleine Page ihre Absicht begriff, rollte er voller Entsetzen die Augen und brach dann in helles Gelächter aus. Angélique ließ sich von ihm anstecken. Sie fand es plötzlich herrlich, nichts anderes tun zu müssen, als nach Herzenslust von all dem Überfluss zu naschen. Sie war noch dabei, sich lachend die vom Konfekt klebrig gewordenen Fingerspitzen abzulecken, als Bachtiari Bey auf der Schwelle erschien. Er war sichtlich erfreut.
»Ihr seid bezaubernd«, murmelte er. »Ihr erinnert mich an eine meiner Favoritinnen. Sie war naschhaft wie eine Katze.«
Er nahm eine Frucht aus einer Schale und warf sie dem kleinen Pagen zu, der die Belohnung auffing und flink den Raum verließ.
»Der kleine Mohrenkönig muss mir etwas teuflisch Starkes zu trinken gegeben haben«, sagte sich Angélique. Doch was sie verspürte, hatte nichts mit Trunkenheit zu tun. Es war ein Gefühl des Wohlbehagens, das alle ihre Sinne weckte. Bachtiaris verändertes Aussehen entging ihr nicht. Er trug nur eine weißseidene, an den Waden anliegende, nach oben hin sich weitende Hose, die von einem mit Edelsteinen besetzten Gürtel gehalten wurde. Sein nackter, glatter, mit parfümierten Salben massierter Oberkörper war wohlgestaltet und kräftig wie der eines Raubtiers. Er trug keinen Turban mehr. Seine schwarzen, ölglänzenden Haare waren nach hinten gebürstet und fielen bis auf die Schultern herab. Mit einer heftigen Bewegung entledigte er sich seiner bestickten Sandalen und streckte sich auf den Kissen aus. Während er nachlässig die Pfeife an seine Lippen führte, sah er Angélique unverwandt an. Es war ihr klar, dass die Erörterung von Protokollfragen jetzt nicht mehr am Platze gewesen wäre. Worüber konnte man nur reden? Am liebsten hätte sie sich gleichfalls auf den Kissen ausgestreckt, doch ihr steifer Schnürleib hinderte sie daran. Der barbarische Panzer, der ihr die Taille zusammenpresste und sie zwang, sich aufrecht zu halten, erschien ihr in diesem Augenblick wie ein zwar ungebetener, aber notwendiger Mahner zur Besonnenheit. Andrerseits war es ganz ausgeschlossen, einfach aufzustehen und ohne eine Erklärung zu gehen. Sie hatte keine Lust dazu, absolut keine! Also würde sie sitzen bleiben. Dank ihrem Schnürleib. Der Schnürleib war eine treffliche Erfindung! Bestimmt hatte ihn der Orden vom Heiligen Sakrament ausgeheckt. Bei diesem Gedanken brach Angélique abermals in ein Gelächter aus, das den Perser entzückte.
»Ich dachte an Eure Favoritinnen«, sagte sie. »Beschreibt mir ihre Kleidung. Tragen sie die gleichen Kleider wie wir?«
»Wenn sie allein oder in Gesellschaft ihres Herrn und Gebieters sind, kleiden sie sich in einen leichten, bauschigen ›sarualh‹ und eine ärmellose Tunika. Zum Ausgehen hüllen sie sich in einen schwarzen, undurchsichtigen ›tscharde‹ mit einem Gazeschleier vor den Augen. Aber beim intimen Zusammensein tragen sie nur einen hauchdünnen Schal aus feinem Belutschistan-Ziegenhaar.«
Angélique hatte den Süßigkeiten nicht widerstehen können und mit spitzen Fingern ein Stück Nougat ausgewählt.
»Welch merkwürdiges Leben«, sagte sie. »Was für Gedanken mögen sie sich machen, all diese eingesperrten Frauen? Und die Favoritin, die so naschhaft wie eine Katze war... was hat sie zu Eurer Reise gesagt?
»Unsere Frauen haben in diesen Dingen nichts zu sagen. Und was die Favoritin betrifft... sie ist tot.«
»Oh, wie schade«, meinte Angélique, die vor sich hin zu summen begann, während sie an dem Nougat knabberte.
»Sie ist unter der Peitsche gestorben«, fuhr Bachtiari Bey seelenruhig fort. »Sie hatte ein Verhältnis mit einer der Palastwachen.«
»Oh!« rief Angélique abermals aus. Vorsichtig legte sie das Naschwerk auf ihren Teller zurück und starrte den Fürsten mit entsetzt aufgerissenen Augen an.
»Ist das so üblich? Erzahlt mir doch. Wie bestraft Ihr sonst noch Eure ungetreuen Frauen?«
»Man bindet sie Rücken an Rücken mit ihren Liebhabern zusammen und setzt sie so auf der höchsten Spitze des Palastturmes aus, wo ihnen die Geier die Augen aushacken und sie langsam verenden. Ich bin auch schon gnädiger verfahren, indem ich zweien von ihnen mit meinem Dolch die Kehle durchschnitt. Diese waren nicht untreu gewesen, sondern hatten sich mir aus Launenhaftigkeit verweigert.«
»Sie sind glücklich zu preisen«, sagte Angélique sentenziös. »Ihr habt sie von Eurer Gegenwart befreit
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