Angelique und der Koenig
Freundschaft verbunden sei, müsse sie sich sofort zu ihm begeben und so lange wie möglich bei ihm bleiben.
»Ischak! (Mauleselin)« rief er mürrisch aus.
Eine psalmodierende Stimme ließ sich draußen vernehmen.
»Ich vermute, es ist die Stunde Eures Abendgebets«, meinte Angélique.
»Um keinen Preis der Welt möchte ich Euch von Euren Pflichten abhalten. Was würde der Mollah dazu sagen!«
»Schaitun!« wiederholte der Botschafter.
Angélique strich ihre Röcke glatt, brachte ihr Haar in Ordnung und nahm ihren Fächer.
»Ich will also in Versailles Euren Standpunkt vertreten. Kann ich dafür Euer Versprechen mitnehmen, Exzellenz, dass Ihr die katholischen Klöster in Persien schützen werdet?«
»Das habe ich bereits für den geplanten Vertrag ins Auge gefasst. Werden sich Eure Religion und Eure Priester nicht gedemütigt fühlen, wenn sie ihr… Heil der Fürsprache einer Frau verdanken?«
»Ist denn Euer Exzellenz nicht durch den Schoß einer Frau zur Welt gekommen?«
Der Perser fand keine Worte und wich in ein Lächeln aus, ohne seine Bewunderung zu verhehlen.
»Ihr wäret würdig, Sultanin-baschi zu sein.«
»Was ist denn das?«
»Das ist der Titel, den man derjenigen verleiht, die geboren wurde, um die Könige zu beherrschen. In jedem Serail gibt es deren nur eine. Man hat sie nicht erwählt. Sie ist es aus sich selbst heraus geworden, weil sie alle Fähigkeiten besitzt, Seele und Leib des Fürsten zu fesseln. Er tut nichts, ohne sie zu befragen. Sie herrscht über die anderen Frauen, und nur ihr Sohn wird der Erbe sein.«
Er geleitete sie zum seidenen Türvorhang.
»Die erste Tugend der Sultanin-baschi ist ihre Furchtlosigkeit. Die zweite, dass sie den Wert dessen ermisst, was sie schenkt.«
Mit einer raschen Bewegung streifte er seine Ringe ab und ließ sie in ihre Hände gleiten. »Das ist für dich… Du bist die köstlichste... Du verdienst, wie ein Idol geschmückt zu werden.«
Angélique war wie geblendet von den in feines Gold gefassten Rubinen, Smaragden und Diamanten. Mit einer ebenso jähen Bewegung gab sie sie ihrem Besitzer zurück.
»Unmöglich!«
»Du fügst mir eine neue Kränkung zu.«
»Wenn in meinem Lande eine Frau nein sagt, dann sagt sie auch nein zu Geschenken.«
Bachtiari Bey stieß einen Seufzer aus, aber er drängte sie nicht. Angélique sah lächelnd zu, wie er die Ringe nacheinander wieder über seine Finger streifte.
»Seht«, sagte sie und streckte die Hand aus, »ich behalte diesen hier, denn Ihr habt ihn mir als Zeichen unseres Bündnisses geschenkt. Seine Farbe hat sich nicht verändert.«
»Madame Türkis, wann sehe ich Euch wieder?«
»In Versailles, Exzellenz«, erwiderte sie vergnügt.
Draußen kam ihr alles hässlich und trübselig vor: die schmutzige Straße, die kahlen Bäume, der verhangene Himmel. Sie fror. Sie hatte den Winter vergessen, hatte vergessen, dass sie in Frankreich lebte und dass sie nach Versailles zurückkehren musste, um über ihre Unternehmung Bericht zu erstatten, um sich in Szene zu setzen, sich unaufhörlich Klatschgeschichten anzuhören, einen leeren Magen, schmerzende Beine zu haben und ihr Geld beim Spiel zu verlieren. Missgestimmt nagte sie an ihrem Taschentuch und war nahe daran, in Tränen auszubrechen. Wie schön war es vorhin in den Kissen gewesen. Sie hätte »es« gern gewollt, hätte gern vergessen, sich ungehemmt und bedenkenlos der Liebe hingegeben. Ach, warum hatte sie einen Kopf? Warum war sie nicht wie ein Tier, das sich keine Fragen stellte? Ihr Groll gegen den König wuchs. Während ihres Besuchs hatte sie sich des Gefühls nicht erwehren können, dass der König sich ihrer wie einer Abenteurerin bediente, deren Körper bei seinen diplomatischen Machenschaften eine Rolle zu spielen hatte.
Richelieu hatte es im vergangenen Jahrhundert glänzend verstanden, intelligente, leidenschaftliche, vom Dämon der Intrige besessene Verschwörerinnen in seine Dienste zu spannen. Sie liebten es, sich um großer Pläne willen, deren Ziel ihnen oft genug unbekannt blieb, in Gefahr zu begeben, sich zu kompromittieren, ja sich zu prostituieren. Madame de Chevreuse, einstige Freundin Annas von Österreich, war deren überlebende Vertreterin. Ewig auf der Lauer nach einer neuen Rolle, nach den Möglichkeiten eines Komplotts, weckte sie bei den jüngeren Mitgliedern der Hofgesellschaft nur noch leicht belustigtes Mitgefühl. Angélique sah sich bereits als dahinwelkende Konspiratorin, der niemand mehr zuhört, im Schatten eines jener aus der Mode
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