Angelique und der Koenig
schönste aller Frauen... die lieblichste…«
»Ihr hattet Euch in den Wald geflüchtet? Während all der Zeit…?«
Der Fürst begann sich allmählich gesättigt zu fühlen. Er leckte sich über die Finger und glättete sorgfältig seinen Schnurrbart, dessen Spitzen er nach unten drehte. Die Entbehrungen und Strapazen der vergangenen Wochen hatten das gesunde Braun seines Teints in fahles Gelb verwandelt, das den asiatischen Charakter seiner schmalen Augen noch unterstrich. Aber ihr feuriger, ein wenig sarkastischer Ausdruck hatte nichts Geheimnisvolles. Er warf seine langen, glänzenden schwarzen Haare zurück, die gelockt waren wie die der Zigeuner.
»Ja. Wohin hätte ich sonst gehen können? Er tat sich als einzige Zuflucht vor mir auf. Ich hatte das Glück, in ein Moor zu geraten, das mich zu einem Weiher führte, in dem ich lange herumwatete, was zur Folge hatte, dass die Hunde, die man auf mich hetzte, meine Spur verloren... Ich hörte ihr Bellen und die Rufe der Knechte, die sie anfeuerten. Jagdwild zu sein, ist nicht jedermanns Sache. Aber Hospadar, mein kleines Pony, wollte nicht aus dem Wasser heraus, trotz der Eiszapfen, die sich an seinem Fell bildeten. Er spürte, es wäre unser Verderben gewesen. Gegen Abend wussten wir, dass unsere Verfolger es aufgegeben hatten…«
Angélique schenkte ihm ein.
»Wovon habt Ihr gelebt? Wo fandet Ihr Unterschlupf?«
»Ich stieß auf verlassene Holzhauerhütten, ich konnte Feuer machen. Nach zwei Tagen zog ich weiter. Als ich nahe daran war aufzugeben, entdeckte ich am Waldrand einen kleinen Weiler. In der Nacht schlich ich hin und stahl mir ein Lamm. Davon lebte ich eine Weile. Hospadar nährte sich von Moos und Beeren. Er ist ein Pferd der Tundren. Als das Lamm verzehrt war, stahl ich mir von neuem Nahrung im Weiler. Tagsüber verkroch ich mich in einer Hütte, die ich mit Hilfe meines Hirschfängers gezimmert hatte. Die Bewohner des Weilers machten sich keine Gedanken über den Rauch, den sie zuweilen aufsteigen sahen. Was die gestohlenen Tiere betraf, so hielten sie die Wölfe für die Schuldigen... Die Wölfe? Manchmal umschlichen sie unseren Schlumpfwinkel. Ich verjagte sie mit brennenden Reisern. Eines Tages beschloss ich weiterzuziehen. Ich wollte in südlicher Richtung den Wald verlassen und mich in eine Gegend begeben, wo vermutlich niemand von uns hatte reden hören. Aber... wie soll ich Euch das erklären... Der Wald ist eine harte Realität für einen Menschen der Steppe. Kein Wind, kein Geruch, der mich hätte leiten können. Der Winternebel, der Schnee, der Abend- und Morgenrot verschleierte. Der Wald ist eine abgeschlossene Welt wie das Schloss der Träume... Eines Tages erstieg ich eine Anhöhe. Ich sah den Wald um mich her, er war wie das Meer. Nur Bäume und die weiten, nackten Flächen der Moore. Und mitten darin eine Insel... eine weiße und rosafarbene Insel, erschreckend in ihrem Glanz. Eine von Menschenhand errichtete Insel... Es wurde mir klar, dass ich zu meinem Ausgangspunkt zurückgekehrt war. Es war Versailles!«
Er hielt inne, mit geneigtem Kopf, wie gebeugt unter der Last der Niederlage.
»Lange Zeit starrten wir auf dieses Wunder. Ich begriff, dass ich nie dem Willen eines Mannes entrinnen würde, dem dies gelungen war: Versailles! Es schien mir, als sei zu Füßen des Schlosses ein bunter Teppich ausgebreitet. Inmitten des winterlichen Waldes blühte es rot, mauve, blau und gelb.«
»Das waren Blumen«, sagte Angélique leise. »Es war der Empfang des persischen Botschafters.«
»Ich glaubte, einer durch den Hunger hervorgerufenen Wahnvorstellung verfallen zu sein... Ich war erschöpft und entmutigt, denn ich sah, was ich längst ahnte: Euer König ist der größte König der Welt.«
»Dennoch habt Ihr gewagt, ihn herauszufordern. Wie unsinnig war diese Handlung! Welche Beleidigung! Euer Dolch zu Füßen des Königs – im Angesicht des versammelten Hofs!«
Lächelnd neigte sich ihr Rakoski zu.
»Die Beleidigung war die Antwort auf eine Beleidigung. Hat Euch meine Geste nicht ein klein wenig Spaß bereitet?«
»Vielleicht... Aber Ihr seht, wohin es Euch führt. Auch Eure Sache wird darunter leiden.«
»Allerdings... Wir haben von unseren orientalischen Vorfahren zwar die Leidenschaftlichkeit, aber leider nicht die Klugheit geerbt. Wenn es einem leichter fällt, zu sterben als zu dulden, ist man zu törichten Handlungen wie zu großen Heldentaten bereit. Aber ich habe es noch nicht aufgegeben, mich mit der Tyrannei der Könige zu
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