Angelique und der Koenig
messen. Und da dachte ich mit einem Male an Euch.«
Er schüttelte leise den Kopf.
»Nur in eine Frau kann ein Geächteter Vertrauen setzen. Männer haben zuweilen diejenigen ausgeliefert, die sie um Asyl baten. Frauen nie. Ich nahm mir vor, Euch zu treffen, und es ist mir gelungen. Jetzt müsst Ihr mir zur Flucht verhelfen. Ich möchte nach Holland fliehen. Das ist eine Republik, die ihre Freiheit teuer erkauft hat. Sie nimmt die Verfolgten willig auf.«
»Was habt Ihr mit Hospadar gemacht?«
»Ich konnte nicht mit ihm den Wald verlassen. Er hätte mich verraten. Jedem wäre das kleine Hunnenpferd aufgefallen. Ich konnte ihn nicht im Wald den Wölfen preisgeben... Da schnitt ich ihm mit meinem Messer die Schlagader durch.«
»Nein!« schrie Angélique auf, und die Tränen traten ihr in die Augen. Rakoski trank in einem Zug seinen Humpen leer. Dann erhob er sich langsam und trat zu ihr. Halb auf dem Tisch sitzend, neigte er den Kopf und betrachtete sie eindringlich.
»In meinem Lande«, sagte er ernst, »habe ich gesehen, wie Landsknechte kleine Kinder vor den Augen ihrer Mütter ins Feuer warfen. Ich habe gesehen, wie man Kinder mit den Füßen an Ästen aufhängte. Ihre Mütter mussten ihrem Todeskampf zuschauen, mussten das Jammern der unschuldigen kleinen Märtyrer mit anhören... Was bedeutet angesichts dessen der Tod eines treuen kleinen Pferdes? Keine falsche Empfindsamkeit! Seht, ich hatte Euch gesagt, dass ich nichts mehr besäße als mein Pferd und meinen Dolch. Aber auch das war noch zuviel. Jetzt ist mir nichts mehr von allem geblieben!«
Angélique nickte, unfähig, etwas zu äußern. Sie ging zu ihrem Sekretär, nahm den Dolch mit den Türkisen aus dem Kästchen und reichte ihn ihm. Das Gesicht des Ungarn hellte sich auf.
»In Eure Hände ist er gelangt! Gott hat mich geleitet, indem er Euch zu meinem einzigen Stern in diesem Lande machte... Ich erblicke darin ein Pfand meines Sieges. Warum weint Ihr, mein Schutzengel?«
»Ich weiß es nicht. All das kommt mir so grausam und zugleich unvermeidlich vor.«
Der Fürst schob den Dolch in seinen Gürtel.
»Nichts ist unvermeidlich auf dieser Welt«, versicherte er, »wenn nicht der Kampf des Menschen um ein Dasein in Eintracht mit seinem Geist.«
Er reckte sich plötzlich, stand da mit gespreizten Beinen und ausgestreckten Armen, ein Bild tiefsten Wohlbehagens. Nach unerhörten körperlichen Strapazen hatte er kaum ein paar Stunden gebraucht, um die Kraft und die Geschmeidigkeit eines sprungbereiten Raubtieres zurückzugewinnen.
»Doch im Augenblick ist der Geist zerrüttet«, fuhr er mit seinem Wolfslächeln fort. »Ich spüre nur meinen gierigen Körper.«
»Seid Ihr noch immer hungrig?«
»Ja... nach Euch.«
Er betrachtete sie gespannt und tauchte seine leuchtenden, durchdringenden Augen in die ihren.
»Weib... beglückend schönes Weib, nehmt meine Liebe ernst. Ich bin kein Hanswurst.«
»Gewiss, das habt Ihr bewiesen«, sagte sie, bewegt lächelnd.
»Meine Worte sind ebenso ernstgemeint wie meine Taten. Die Liebe, die ich für Euch empfinde, ist in mir mit all ihren Wurzeln, in meinen Armen, meinen Beinen, in meinem ganzen Körper. Dürfte ich Euch an mich pressen, ich würde Euch wärmen.«
»Aber mir ist nicht kalt.«
»Doch, sehr kalt. Ich spüre, wie verloren und erstarrt Euer Herz ist, und ich vernehme sein fernes Rufen... Kommt zu mir.«
Er umschlang sie ohne Ungestüm, doch mit einer Kraft, die sie schwach machte. Rakoskis Lippen suchten auf ihrem Nacken, hinter dem Ohr die empfindliche, erregende Stelle. Sie war unfähig, ihn abzuweisen. Ihr Haar vermengte sich. Sie spürte, wie sein seidiger Schnurrbart ihre Brüste berührte. Es war, als trinke er an einer köstlichen Quelle. Eine heiße Wolke stieg in ihr auf, ihre Kehle war wie ausgedörrt, ihre Hände zitterten. Jede Sekunde, die verstrich, fesselte sie enger an diesen harten, unbesiegbaren Körper. Als er sie losließ, schwankte sie, verwirrt und des Halts beraubt. Rakoskis Augen brannten in einem fordernden Glanz.
Angélique wich ihnen aus, wandte sich ab und ging in ihr Zimmer. Im Spiegel sah sie ihr Gesicht. Blass hob es sich aus dem Dämmer des Raums. In ihrem dunklen Blick war der Widerschein einer Erwartung, deren sie sich für eine Sekunde schämte. Plötzlich begann sie sich zu entkleiden, von Ungeduld erfüllt. Mit fiebrigen Händen riss sie ihr enges Mieder auf und ließ ihre schweren Röcke fallen. Sie spürte ihren warmen, geschmeidigen Körper aus dem Spitzenhemd
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