Angelique und der Koenig
würden eine Deformierung verhindern, und im Sommer soll ich ihn dorthin begleiten. Ihr seht, dass meine Aufgabe mir keine Freizeit lasst. Und es besteht auch keine Aussicht, dass sich das bessern wird, im Gegenteil. Vermutlich werde ich bald eine doppelte Verantwortung übernehmen müssen.«
»Die Gerüchte über eine neue Schwangerschaft Madame de Montespans sind also begründet?«
»Leider!«
»Warum leider?«
»Athénaïs hat es mir voller Verzweiflung bestätigt.«
»Sie sollte sich freuen. Ist es nicht ein Beweis für die Gunst des Königs?«
Madame Scarron seufzte und warf Angélique einen Blick zu, die die Augen abwandte. Eine gespannte Stille trat ein.
»Sie ist in einer schrecklichen Verfassung«, fuhr die junge Witwe schließlich fort. »Sie kommt alle Augenblicke hierher, nicht um ihren Sohn zu sehen, sondern um sich mir anzuvertrauen und ihrem Zorn freien Lauf zu lassen. In Versailles ist sie gezwungen, Haltung zu bewahren. Es ist für niemand ein Geheimnis, dass der König eine andere liebt.«
Sie wandte sich ihr von neuem zu.
»… Dass er Euch liebt, Angélique.«
Angélique lachte spöttisch auf.
»Es ist für niemand ein Geheimnis, dass der König mich hat verhaften und einsperren lassen. Wahrhaftig ein schöner Liebesbeweis!«
Madame Scarron schüttelte den Kopf. Sie hätte sich gerne mehr davon erzählen lassen, doch in diesem Augenblick knirschten draußen die Räder einer Kutsche. Es wurde ungeduldig an die Haustür geklopft, und gleich darauf erscholl im Flur die gebieterische Stimme der Montespan.
Françoise wurde bleich. Am liebsten hätte sie ihre Besucherin auf dem Boden versteckt. Doch Angélique protestierte.
»Machen wir uns nicht lächerlich. Wovor fürchtet Ihr Euch? Ich werde ihr schon die nötigen Erklärungen geben. Schließlich hat zwischen uns nie ausgesprochene Feindschaft bestanden.«
Sie trat ein wenig beiseite. Madame de Montespan schoss mit vollen Segeln herein. Ungestüm warf sie ihren Fächer, ihren Beutel, ein Pastillendöschen, ihre Handschuhe und ihre Uhr auf einen Nipptisch.
»Das ist wirklich zuviel«, sagte sie. »Eben erfahre ich, dass er sich kürzlich mit ihr in der Grotte der Thetis getroffen hat…«
Sie wandte sich um und bemerkte Angélique. Offenbar hatte sie stets das Bild ihrer Rivalin vor Augen, denn ihr Verhalten verriet, dass sie ein paar Sekunden lang glaubte, das Opfer einer Halluzination zu sein. Angélique nutzte die Situation, um die Offensive zu ergreifen.
»Ich muss Euch tausendmal um Verzeihung bitten, Athénaïs. Als ich dieses Haus betrat, wusste ich nicht, dass ich in Euer Eigentum eindrang. Ich wollte Françoise sprechen, deren Kommen und Gehen meine Neugier weckte. Ich bin ihr bis hierher gefolgt.«
Madame de Montespan war puterrot geworden. Aus ihren Augen schossen Blitze. Sie bebte vor verhaltenem Zorn.
»Glaubt mir«, fuhr Angélique fort, »wenn ich Euch versichere, dass Madame Scarron alles getan hat, um mich daran zu hindern, in Euer Geheimnis zu dringen. Es ist in verlässlichen Händen. Ich allein trage die Schuld.«
»Das glaube ich gern«, rief Athénaïs hämisch lachend aus. »Françoise ist nicht so dumm, Ungeschicklichkeiten solcher Art zu begehen.«
Sie ließ sich in einen Sessel fallen und streckte der jungen Witwe ihre Füße hin, die in Schuhen aus rosa Satin steckten.
»Zieht sie mir aus! Sie martern mich.«
Madame Scarron ließ sich vor ihr auf die Knie nieder.
»Und man soll mir ein Becken mit warmem Benzoewasser heraufbringen.«
Ihr Blick kehrte zu dem Eindringling zurück, spitzte sich zu.
»Was Euch betrifft... man weiß ja, was sich hinter Eurem scheinheiligen Wesen verbirgt. Neugierig wie eine Portiersfrau, die allen Leuten nachschnüffeln muss. Zu geizig, einen Lakaien für solche schmutzigen Auf gaben zu bezahlen. Der Kupplerberuf, den Ihr früher in Eurem Schokoladengeschäft ausgeübt habt, steigt Euch offenbar wieder in die Nase.«
Angélique wandte sich ab und ging zur Tür. Da Athénaïs einen solchen Ton anzuschlagen beliebte, schien es ihr besser, das Feld zu räumen. Sie fürchtete sich nicht vor ihr. Aber sie empfand krankhaften Abscheu vor Szenen zwischen Frauen, in deren Verlauf man einander tausend zutreffende oder falsche Beschuldigungen ins Gesicht schleudert, die giftige Wunden hinterlassen.
»Bleibt!«
Die gebieterische Stimme ließ sie innehalten. Es fiel schwer, dem Mortemart-Ton zu widerstehen. Angélique fühlte sich als Vasallin. Aber sie bäumte sich auf. Da die andere die Klingen kreuzen
Weitere Kostenlose Bücher