Angelique und der Koenig
schnäbeln, ja, dich aufzuessen,
und leben sollst du ganz, wie dir’s gefällt.
mehr sag’ ich nicht, denn alles liegt darin.«
»Ach«, seufzte er, zum Publikum gewandt, »wie weit die Leidenschaft doch treiben kann!«
Doch Agnes schüttelte den Kopf und setzte eine trotzige Miene auf.
»All dies geht mir nicht nah. Horace hat nicht so viele Worte nötig.«
»Ach, dieser Trotz bringt mich noch um vor Wut!« tobte Arnolphe.
»Zu viel! Ein solcher Trotz war noch nicht da!
Nun, blöde Gans, sollst du mich kennenlernen:
Du wirst noch heut dich aus der Stadt entfernen
und dass du mich so weit getrieben hast,
bereu’n, wenn Klostermauern dich umfangen.«
Die Zuschauer brachen in schallendes Gelächter aus.
»Das Ende gefällt mir recht gut«, murmelte Philippe.
»Ein dicht vergittertes Kerkerloch in einem dicht verschlossenen Kloster für die Unbelehrbaren. Was meint Ihr dazu, Madame?«
»Dieser Molière ist ein geschickter Mann«, meinte er nach einer Weile, während sie sich mit den andern in den Ballsaal begaben. »Er weiß, dass er in erster Linie für den König und den Hof schreibt. Folglich bringt er Bürger und kleine Leute auf die Bühne. Aber da er den ewigen Menschen beschreibt, erkennt sich gleichwohl jeder wieder, ohne sich getroffen zu fühlen.«
»Eigentlich ist Philippe gar nicht so dumm«, dachte Angélique.
Er hatte ihren Arm genommen, eine Vertraulichkeit, die sie mit einiger Besorgnis erfüllte.
»Ihr braucht nicht zu befürchten, dass ich Euch versenge«, bemerkte er spöttisch. »Es ist ausgemacht, dass ich Euch in der Öffentlichkeit keinen Schaden zufüge. Das ist ein Jagdprinzip. Die Dressur muss unter vier Augen erfolgen. Ziehen wir einmal Bilanz! Erste Partie. Ihr gewinnt den ersten Gang, indem Ihr mich zwingt, Euch zu heiraten. Ich gewinne den zweiten, indem ich Euch eine verdiente kleine Züchtigung auferlege. Der entscheidende fällt zu Euren Gunsten aus, da Ihr trotz meines Verbots in Versailles erscheint und dort aufgenommen werdet. Ich beuge mich, und wir beginnen die zweite Partie. Ich gewinne den ersten Gang, indem ich Euch einsperre, Ihr den zweiten, indem Ihr entwischt. Übrigens wäre ich neugierig zu erfahren, wie. Kurz, wir sind bei dem entscheidenden angelangt. Zu wessen Gunsten wird er diesmal ausgehen?«
»Das Schicksal wird darüber bestimmen.«
»Und die Güte unserer Waffen. Möglich, dass Ihr wiederum siegt. Eure Chancen sind groß. Aber Vorsicht! Eins kann ich Euch versichern: letzten Endes werde ich der Gewinner des Turniers sein. Ich stehe im Ruf, hartnäckig meine Pläne zu verfolgen und meine Stellung bis aufs Blut zu verteidigen. Um wie viel wettet Ihr, dass Ihr auf meine Veranlassung hin eines Tages in einem Provinzkloster hinter Schloss und Riegel am Spinnrad sitzen werdet, ohne Hoffnung, jemals wieder herauszukommen?«
»Um wieviel wettet Ihr, dass Ihr eines Tages unsterblich in mich verliebt sein werdet?«
Philippe erstarrte und atmete tief, als raube ihm allein dieser Gedanke die Fassung.
»Nun denn, wetten wir, da Ihr es vorgeschlagen habt«, fuhr Angélique lachend fort. »Wenn Ihr gewinnt, überlasse ich Euch mein ganzes Vermögen, meine Geschäfte, meine Schiffe. Was hätte ich denn auch davon, da ich doch eingesperrt, verunstaltet, zum Skelett abgemagert, unter Martern schwachsinnig geworden wäre?«
»Ihr lacht«, murmelte er, ohne sie aus dem Auge zu lassen. »Ihr lacht«, wiederholte er drohend.
»Warum nicht? Man kann nicht ewig weinen.«
Doch plötzlich traten ihr die Tränen in die Augen, und als sie zu ihm aufsah, entdeckte er am Ansatz ihres schlanken Halses, unter der Perlenkette, die sie sich ausgeliehen hatte, um sie zu verbergen, die blauen Flecke, die sie ihm verdankte.
»Wenn ich gewinne, Philippe«, flüsterte sie, »dann werde ich Euch bitten, mir jenes goldene Schmuckstück zu schenken, das Eure Familie seit den fernen Zeiten der ersten Könige besitzt und das jeder Erstgeborene seiner Verlobten um den Hals legen muss. Ich entsinne mich nicht mehr genau der Legende, die mit dieser Kette verknüpft ist, aber ich weiß, dass man sich in unserer Heimat erzählte, sie habe die zauberische Kraft, den Frauen der Familie du Plessis-Bellière die Gabe der Beherztheit zu verleihen. Was mich betrifft, so habt Ihr die Tradition missachtet.«
»Ihr bedurftet ihrer nicht«, gab Philippe brüsk zurück.
Und ohne ein weiteres Wort ließ er sie stehen und verschwand in der Menge.
Neuntes Kapitel
Angélique fuhr mit einer Mietkutsche von Versailles
Weitere Kostenlose Bücher