Angelique und der Koenig
Lektüre.
Da nimm und lies ein Stückchen laut.«
Molière spielte die Rolle des Arnolphe. Sein kluges Gesicht verstand die kleinlichen und argwöhnischen Gefühle eines ein wenig beschränkten Spießbürgers überzeugend widerzuspiegeln. Die Frau des Komödianten, Armande Béjart, war als Agnes eine junge, recht unwissende und törichte Schöne, ebenfalls am richtigen Platz. Mit frischer und fügsamer Stimme las sie:
»Wurdest ehrsam du erwählt
und mit einem Mann vermählt,
merke dir zu jeder Zeit
trotz der Zeiten Schlechtigkeit,
dass der Mann genommen dich
nicht für andere, nur für sich.«
»Ich werde Euch erklären, was das heißt«, bemerkte Arnolphe. »Für jetzt jedoch genügt es, nur zu lesen.«
»Hab auf deinen Putz nur acht,
wenn’s dem Manne Freude macht;
denn es soll vorhanden sein
deine Schönheit ihm allein;
schlag es deshalb in den Wind,
wenn dich sonst wer hässlich find’t.«
Angélique hörte zerstreut zu. Sie liebte das Theater sehr, aber es verwirrte sie, Philippe so dicht neben sich zu spüren.
»Wenn es doch wahr sein könnte«, dachte sie, »dass er mich so umfangen hielte, ohne Groll und ohne unserer Zwistigkeiten zu gedenken.«
Es drängte sie, sich ihm zuzuwenden und ihm zuzuflüstern:
»Hören wir doch auf, uns wie schmollende und zänkische Kinder zu benehmen... Es gibt so manches zwischen uns, das uns bestimmen könnte, uns zu vertragen und vielleicht sogar zu lieben. Ich spüre es, und ich glaube es. Du warst mein großer Vetter, den ich bewunderte und von dem ich träumte, als ich noch ein kleines Mädchen war.«
Sie musterte ihn verstohlen aus den Augenwinkeln und wunderte sich, dass ihre innere Erregung sich diesem wohlgestalteten, trotz der preziösen äußerlichen Aufmachung so männlichen Körper nicht mitteilte. Es mochten noch so viele haarsträubende Klatschgeschichten über den Marquis du Plessis im Umlauf sein – er war weder ein kleiner Monsieur d’Orléans noch ein Chevalier de Lorraine: Er war der Gott Mars, der Gott des Krieges, hart, unversöhnlich und kalt wie Marmor. Seine Laster trug er zur Schau wie einen Schmuck, bewusst und vielleicht mit heimlichem Überdruss. Doch wo verbarg sich die menschliche Wärme dieses Mannes, der der elementarsten Regungen unfähig zu sein schien? Monsieur Molière hatte bei seinem Unterricht der »Schule der Frauen« nur an die Männer gemeinhin gedacht, an die, die, ob Bürger oder Edelmann, toben, wenn sie betrogen werden, die sich um ein Paar schöner Augen willen lächerlich machen und sich verfärben, wenn eine hübsche Frau sich allzu schmachtend an sie lehnt. Doch bei Philippe würde die Psychologie des großen Komödianten versagen. Wie konnte man ihm beikommen…?
Auf der Bühne hatte Arnolphe soeben entdeckt, dass Agnes ihn nicht nur nicht liebte, sondern überdies noch für den blonden Horace entflammt war. Er brach in Verwünschungen aus:
»Mit Mühe kann ich meine Hand noch zügeln,
für diese frechen Reden dir zu dienen.
Wenn mich dein kalter Spott erbost und quält,
wär’s eine Wohltat mir, dich durchzuprügeln.«
Molière war herrlich in seiner komischen und doch so menschlichen Wut. Man wusste, dass der Komödiant eifersüchtig war und dass die Koketterie der allzu reizvollen Béjart ihn rasend machte.
»Ach, Lieb’ ist unergründlich, und wie schwächlich
stehn doch wir Männer da vor diesen Katzen!
Wir wissen, dass sie falsch sind und gebrechlich,
fortwährend Launen haben oder schwatzen;
ihr Herz ist schwach, ihr Geist von Gift geschwollen,
ihr Wille matt, ihr Denken zu bequem,
ihr Handeln treulos, und trotz alledem
tun wir am Ende, was die Luder wollen.«
Eine Woge der Heiterkeit stieg von den Reihen der Zuschauer auf.
»Die Toren!« sagte Philippe mit gedämpfter Stimme. »Sie lachen, und dennoch gibt es keinen unter ihnen, der nicht bereit wäre, ›diesen Ludern‹ zuliebe alles zu tun.«
»Sie haben eben Blut in den Adern«, gab Angélique zurück.
»Und ein Herz voller Dummheiten!«
»Nun mag denn Friede sein. Aus eignem Trieb
verzeih’ ich dir, du kleines Ungeheuer;
ersieh daraus mein Liebesfeuer,
und zur Vergeltung hab auch du mich lieb.
Hör diesen tiefen Liebesseufzer an!
Schau diesen Blick voll schmachtender Begier,
schau meinen Wuchs und lass den dummen Jungen;
mit Zauberkünsten hat er dich bezwungen,
und zehnmal glücklicher wirst du mit mir.
Begehrst du Schmuck und Kleider wie Prinzessen,
du sollst sie haben auf mein Wort;
ich schwöre dich zu hätscheln immerfort,
mit dir zu
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