Angelique und der Koenig
ist, Monsieur Colbert, und ich bin weit davon entfernt, Euch dazu veranlassen zu wollen, dass Ihr Euch aus anderen Gründen mit Spitzen und Bändern befasst als um die Zahl der Manufakturen zu vergrößern. Indes, wenn wir hinsichtlich unserer eigenen Person bescheiden sein müssen, so müssen wir doch stolz sein auf den Platz, den wir einnehmen. Die Ehre des Throns und sein Nimbus können in den Augen der Welt durch das allzu unscheinbare Auftreten derjenigen Einbuße erleiden, die ihn umgeben. Das Wissen um die Dinge genügt nicht, man muss auch etwas aus sich zu machen verstehen. Ich bitte Euch, lasst es Euch gesagt sein, und... sprecht mit Madame Colbert darüber.«
Das Lächeln des Königs milderte, was seine Bemerkung an Verletzendem haben konnte. Der Minister verneigte sich abermals und zog sich zurück.
Angélique, die müde zu werden und Hunger zu spüren begann, schickte sich an, ihm zu folgen, doch der König hielt sie zurück.
»Wollet bleiben, Madame.«
Er blickte Angélique prüfend an.
»Werdet Ihr morgen zu meiner Jagd kommen?«
»Sire, es ist meine feste Absicht.«
»Ich werde mit dem Marquis reden, auf dass er Euch in diesem lobenswerten Entschluss bestärke.«
Sie unterdrückte einen Seufzer der Erleichterung, und ihr Gesicht hellte sich auf.
»Unter diesen Umständen bin ich sicher, Sire, an ihr teilnehmen zu können.«
Mittlerweile hatte der erste Staatssekretär, der Herzog von Charroste, den Raum betreten.
»Geruhen Euer Majestät an der Großen Tafel teilzunehmen oder allein zu speisen?«
»Da die Große Tafel vorgesehen ist, wollen wir die Maulaffen nicht enttäuschen, die nach Versailles gereist sind, um ihren König speisen zu sehen. Gehen wir.«
Angélique machte ihre Reverenz und wiederholte sie, als der König an der Tür des Kabinetts angelangt war. Dort wandte sich Ludwig noch einmal um:
»Ich meine, Ihr hättet Söhne? Sind sie schon zu etwas nütze?«
»Sire, sie sind sehr jung – sieben und acht Jahre.«
»Also im gleichen Alter wie der Dauphin. Er wird bald der Aufsicht der Frauen entzogen und einem Hofmeister anvertraut werden. Ich möchte ihm zu gleicher Zeit Spielgefährten beigeben, die ihn ein wenig aufmuntern. Bringt uns Eure Söhne.«
Unter den neidischen Blicken der versammelten Höflinge verneigte sich Angélique ein drittes Mal.
Achtes Kapitel
Der König speiste. Eine Armee von Dienern hatte unter Aufsicht ihrer »Offiziere« den Tisch gedeckt und der Etikette gemäß die Stühle verteilt, und der Hofmarschall hatte nach erfolgter Inspektion die Türen des Saals den Mitgliedern der Hofgesellschaft geöffnet, die darauf erpicht waren, der Mahlzeit Seiner Majestät beizuwohnen. Sie hatten sich in vorher festgelegter Reihenfolge aufgestellt, während sich im Vorzimmer und auf den Gängen das Publikum drängte, das am Tisch seines Königs vorbeidefilieren durfte: Bürgerinnen und Bürger von Paris, kleine Angestellte, Handwerker, Arbeiter, Frauen aus dem Volk – ein jeder begierig, von dem Schauspiel so viel in sich aufzunehmen, wie er nur konnte. Und allesamt waren sie von der Pracht des Kristalls und des goldenen Service weniger geblendet als vom Anblick des Königs von Frankreich, der da in all seiner Herrlichkeit speiste. Der König sprach wenig, aber er hatte für alles ein Auge. Angélique beobachtete, wie er sich zu wiederholten Malen leicht erhob, um eine eintretende Dame der Hofgesellschaft zu grüßen, während der Hofmarschall eilends einen Schemel bringen ließ. Für andere Damen gab es weder Begrüßung noch Schemel. Das waren die »nicht sitzenden« Damen, die Mehrzahl. Angélique gehörte zu ihnen, und allmählich begann sie ihre Beine nicht mehr zu spüren. Madame de Choisy, die neben ihr stand, flüsterte ihr zu:
»Ich habe gehört, was der König vorhin über Eure Söhne sagte. Meine Liebe, Ihr habt wirklich Glück! Überlegt es Euch nicht lange. Eure Söhne werden es weit bringen, wenn Ihr sie so daran gewöhnt, nur mit Leuten von Stand zu verkehren. Sie werden sich frühzeitig ein hohes Maß von Dienstfertigkeit aneignen und ihr ganzes Leben lang jene weltmännische Lebensart behalten, die den Erfolg bei Hofe verbürgt. Seht Euch meinen Sohn, den Abbé, an. Ich habe ihn seit frühester Jugend in diesem Sinne erzogen. Er ist noch keine zwanzig, und er hat sich bereits so durchzusetzen vermocht, dass er nahe daran ist, die Bischofswürde zu bekommen.«
Doch im Augenblick war es Angélique weniger um die Zukunft Florimonds und Cantors zu tun als vielmehr
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