Angelique und der Koenig
Fläschchen gesehen, das von drei Mamelucken bewacht war. Gesehen und gerochen, denn es stinkt auf zehn Meilen im Umkreis. Ein ebenso fürchterlicher wie köstlicher Geruch. Er erinnert an Aas und Moschus... Er ist wunderbar!« schwärmte er.
Der Verdacht stieg in ihr auf, sie könnte es mit einem Verrückten zu tun haben. »Vor allem ihm nicht widersprechen«, sagte sie sich und versuchte, ihren Besucher loszuwerden, indem sie ihn auf sanfte Art zur Tür drängte. Dabei versprach sie, ihr möglichstes zu tun, obwohl sie zweifelte, dass ihr ein solch kostbares Geschenk zugänglich sein werde.
»Ihr vermöget alles!« versicherte Savary beschwörend.
»Ihr müsst nur unbedingt anwesend sein, wenn der Botschafter seine Gabe überreicht. Und sollten etwa die Umgebung des Königs und vor allem seine unwissenden Ärzte den Wert jenes Gegenstandes missachten und den Frevel begehen, ihn wegzuwerfen – versprecht mir, dass Ihr dann auch den kleinsten Tropfen aufsammeln werdet. Ach, rettet mir vor allem meine mineralische Mumia!«
Angélique versprach alles, was er wollte.
»Dank! Dank! Tausend Dank, o schöne Dame! Ihr lasst mich aufs neue hoffen.«
Mit erstaunlicher Geschmeidigkeit sank er vor ihr auf die Knie und berührte mehrmals den Teppich mit seiner kahlen, pergamentenen Stirn. Dann erhob er sich wieder und entschuldigte sich wegen dieser orientalischen Gewohnheit, die er seit seiner langen Gefangenschaft bei den Mohammedanern beibehalten habe. Angélique erneuerte ihr Versprechen und drängte ihn dabei unmerklich dem Ausgang zu. Doch konnte sie sich nicht enthalten, ihn noch an der Tür zu fragen, was wohl diese plötzliche Invasion von Bittstellern veranlasst habe. Er habe, erwiderte Savary, bei Angéliques Anblick sofort gewusst, dass sie dazu geschaffen sei, wo immer sie erscheine, den ersten Platz einzunehmen.
»Man weiß sehr wohl, dass Euer Glück beim König im Wachsen ist«, fuhr er fort. »Die ganze Stadt spricht davon. Vor allem kommt Euch aber die schwindende Gunst Madame de La Vallières zugute.«
»Die schwindende Gunst? Ich glaubte sie auf dem Höhepunkt.«
»Sie ist es, Madame. Ein Gelehrter wie ich kann jedoch allein auf Grund dieses Faktums schließen, dass ihr Sinken unweigerlich nahe ist, da einer Kurvenspitze, einem ›Maximum‹, um mit Descartes zu reden, zwangsläufig ein ›Minimum‹ genannter Nullpunkt entspricht. Aber neben dieser sozusagen mathematischen Offenbarung sehe ich noch andere, natürliche und von instinktiver Art, Phänomene, die bewirken, dass die Ratten das sinkende Schiff verlassen. Jeder, der mit Madame de La Vallière zu tun hatte, ja sogar ihr erster Kammerdiener, hat sie im Stich gelassen und ist zu Euch gekommen. Das bedeutet, dass in dem im Gange befindlichen Wettrennen, wer die nächste Favoritin Seiner Majestät sein wird, Ihr die günstigsten Aussichten habt.«
»Unsinn!« sagte Angélique achselzuckend. »Meister Savary, Ihr habt zuviel Phantasie für Euer Alter.«
»Ihr werdet’s schon sehen. Wartet nur ab!« meinte der kleine Greis, dessen Augen hinter den Gläsern seines Lorgnons listig funkelten.
Allein geblieben, stellte Angélique fest, dass sich etwas im Hause verändert hatte. Es war plötzlich vollkommen still geworden. Sie läutete, weil sie das Vorzimmer nicht zu betreten wagte. Nach einer Weile trat Roger, ihr Haushofmeister, ein.
»Madame, Euer Abendbrot ist aufgetragen.«
»Es wird auch Zeit! Aber wo sind all die Bittsteller geblieben?«
»Ich habe das Gerücht in Umlauf gesetzt, Ihr wäret heimlich wieder nach Saint-Germain aufgebrochen. Darauf haben diese Dummköpfe sofort das Haus verlassen, um Euch nachzueilen. Frau Marquise wollen mir verzeihen, aber wir wussten heute morgen nicht, wie wir dem Ansturm Einhalt gebieten sollten.«
»Ihr habt es zu wissen, Maître Roger, andernfalls werde ich mich Eurer Dienste begeben.«
Der junge Haushofmeister verbeugte sich tief und versicherte, in Zukunft werde er alle Besucher sorgfältig prüfen.
Gleich am nächsten Morgen ließ sie sich an ihrem Sekretär nieder und verfasste ein Schreiben an ihren Vater im Poitou, in dem sie ihm auftrug, so bald wie möglich ihre beiden Söhne Florimond und Cantor, die seit einigen Monaten bei ihm lebten, samt deren Betreuern nach Paris zu befördern. Als sie danach läutete, um den Laufburschen kommen zu lassen, machte sie der Haushofmeister darauf aufmerksam, dass der Mann wie übrigens auch das sonstige Stallpersonal vor ein paar Tagen zusammen mit den Pferden
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