Angelique und der Koenig
himmelwärts gerichteten Betrachtungen nur allzubald wieder zu den verwickelten irdischen Problemen zurück.
»Ich weiß nicht, ob es klug ist, mich einzumischen«, sagte die schöne Athénaïs zu ihr, »aber letzten Endes halte ich es doch für angebracht, Euch aufzuklären. Handelt, wie Ihr wollt, und zieht mich vor allem nicht mit hinein. Solignac hat die Duellgeschichte in die Hand genommen. Das bedeutet, dass die Sache Eures Gatten schlecht steht.«
»Der Marquis de Solignac? Wie kommt er dazu, sich einzumischen?«
»Wie immer als selbsternannter Verteidiger Gottes und seiner geheiligten Rechte. Er hat es sich in den Kopf gesetzt, dass das Duell einer der Angelpunkte der Häresie und des Atheismus sei, und drängt nun den König, sich gegen Lauzun und Euren Gatten streng zu zeigen, um, wie er sagt, ›ein Exempel zu statuieren‹. Seinen Reden nach müsste man einen Scheiterhaufen errichten.«
Da sie Angélique erbleichen sah, versetzte ihr die unbesonnene Marquise einen freundschaftlichen Schlag mit dem Fächer.
»Es war nur ein Scherz. Aber seht Euch vor! Dieser hitzige Frömmler ist durchaus in der Lage, zumindest längere Haft, krasse Ungnade und was weiß ich noch durchzusetzen. Der König leiht ihm ein williges Ohr, zumal ihn Lauzun allzu oft verärgert hat. Gegen das Duellieren hat er im Grunde nichts einzuwenden. Aber Gesetz ist eben Gesetz. An Eurer Stelle würde ich versuchen, mich ins Mittel zu legen, solange noch Zeit dazu ist und der König keine Entscheidung getroffen hat…«
Noch in der nämlichen Stunde verließ Angélique den frommen Ort.
Zwölftes Kapitel
Durch den strömenden Regen blickte Angélique eine Weile unschlüssig über den verödeten Schlosshof von Saint-Germain. Man hatte ihr eben erklärt, der Hof sei nach Versailles übergesiedelt. Sie war nahe daran, ihr Vorhaben aufzugeben. Doch sie nahm sich zusammen.
»Nach Versailles«, rief sie dem Kutscher zu. Durch die triefenden Scheiben betrachtete die junge Frau die vorbeiziehenden, in grauen Nebel gehüllten entlaubten Bäume des Waldes. Regen, Kälte, Morast! Trübseliger Winter. Und man sehnte sich nach den Schneefällen, die das Weihnachtsfest bringen würden. Sie spürte ihre eisigen Füße nicht. Hin und wieder trat ein entschlossener Zug in ihr blasses Gesicht, und in ihren Augen blitzte auf, was Mademoiselle de Parajonc ihren kämpferischen Blick nannte. Sie vergegenwärtigte sich ihr Gespräch mit dem Marquis de Solignac. Auf ihr Ersuchen hin hatte er geruht, ihr ein Zusammentreffen zu gewähren. Nicht bei sich, noch weniger bei ihr, sondern unter viel Geheimnistuerei in einem eiskalten, kleinen Sprechzimmer des Cölestinerklosters. Fern vom Glanz des Hofs, wo sein hoher Wuchs und seine monumentale Perücke ihm einen gewissen Adel verliehen, war ihr der Oberkämmerer der Königin als ein verschlagener und undefinierbar fragwürdiger Mensch erschienen. Offenbar fand er bei allem einen Vorwand, sich zu entrüsten, denn er hatte Angélique zu verstehen gegeben, dass ihre Kleidung für eine solch ernste Unterredung der Bescheidenheit ermangele.
»Glaubt Ihr Euch noch unter den Kronleuchtern des Hofs, Madame, und haltet Ihr mich für einen jener Stutzer, die beim Anblick Eurer Reize wie ein Schmetterling entbrennen? Ich weiß nicht, aus welchem Grunde Ihr mich sprechen wolltet, aber angesichts der traurigen Situation, in die Euch Eure Leichtfertigkeit versetzt hat, solltet Ihr wenigstens so viel Schamgefühl aufbringen, die unheilvollen Reize zu verschleiern, die die Verantwortung für ein großes Unglück tragen.«
Der Überraschungen war damit noch nicht genug. Monsieur de Solignac hatte sie danach mit halb zugekniffenen Augen gefragt, ob sie jeden Freitag faste, ob sie Almosen austeile und ob sie »Tartüffe« gesehen habe und wie oft.
»Tartüffe« war eine Komödie von Molière, die die Frömmler übel aufgenommen hatten. Da sich Angélique zu der Zeit, als die Komödie vor dem König aufgeführt worden war, nicht am Hofe befunden hatte, war sie ihr entgangen. Die Macht unterschätzend, die der Orden vom Heiligen Sakrament darstellte, redete sich Angélique in Zorn. Der Ton der Unterhaltung wurde giftig und schneidend.
»Wehe dem oder derjenigen, die Skandal hervorruft!« schloss der Marquis unerbittlich. Angélique verließ ihn als restlos Besiegte. Ihr Zorn ersetzte den fehlenden Mut, und sie beschloss, unverzüglich zum König zu gehen.
Die Nacht verbrachte sie in einer Herberge in der Umgebung von Versailles. Zu
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