Angelique und der Koenig
schmeichelhaft für Euch und hat Euch schon manchen Vorteil eingebracht. Ihr scheint enttäuscht? Nein, ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihr die kleine Komödie ernst genommen haben solltet... Und dann seid Ihr ja verliebt, wie man hört. In Euren Gatten. Wie komisch…! Er ist nicht gerade umgänglich, aber schön. Und es wird behauptet, er lasse sich allmählich von Euch gewinnen…«
»Wollen wir Karten spielen?« fragte Angélique nüchtern.
»Gern. Ich habe welche in meinem Beutel. Naaman!«
Der Negerknabe reichte ihr die Reisetasche. Sie spielten ein paar Runden ohne sonderliche Lust. Angélique war geistesabwesend und verlor, was ihre schlechte Laune womöglich noch verstärkte. Madame de Montespan schlief schließlich mit einem Lächeln auf den Lippen ein. Angélique gelang es nicht, ihrem Beispiel zu folgen. Sie war von quälender Unruhe erfüllt, die sich, je mehr die Nacht verstrich, zu Rachegedanken steigerte. Morgen schon würde Madame de Montespans Name in aller Munde sein. Die schöne Marquise war sehr unklug gewesen, denn Angélique ließ sich von ihren scheinheiligen Worten nicht täuschen. Athénaïs hatte es diebisches Vergnügen bereitet, sie über ihren Triumph und die Rolle aufzuklären, die sie ihr ohne ihr Wissen zugewiesen hatte. Des Rückhalts beim König und seiner leidenschaftlichen Neigung sicher, hatte sie sich das Vergnügen gegönnt, einer Frau aufs übelste mitzuspielen, auf die sie seit langem eifersüchtig war, die sie bisher jedoch aus Berechnung hatte schonen müssen. Jetzt brauchte sie weder sie noch ihr Geld. Sie konnte sie demütigen und sich für die Erfolge rächen, die ihr Madame du Plessis dank ihrer Schönheit und ihres Reichtums streitig gemacht hatte.
»Dumme Person!« dachte Angélique, aber noch mehr als gegen Athénaïs richtete sich ihr Zorn gegen sich selbst. Vorsichtig raffte sie sich auf, hüllte sich in ihren Mantel und schlich zur Leiter. Madame de Montespan schlummerte weiter, in ihrem Staat auf dem Heu hingegossen wie eine Göttin auf einer Wolke. Draußen verhieß die aufsteigende Morgenröte Regen. Von Osten kamen die Klänge der Querpfeifen und Trommeln. Die Regimenter brachen das Lager ab. Angélique stapfte durch den zähen Schlamm und gelangte zum Hause der Königin, wo sie, wie sie wusste, Mademoiselle de Montpensier finden würde. Im Vorraum entdeckte sie die vor Kälte schlotternde übernächtige Mademoiselle de La Vallière in Gesellschaft einiger Bedienter und ihrer jungen Schwägerin auf einer Bank. Der jämmerliche Anblick berührte sie so, dass sie unwillkürlich stehenblieb.
»Was macht Ihr hier, Madame? Ihr werdet Euch den Tod holen in dieser Kälte.«
Louise de La Vallière hob ihre blauen, im wachsbleichen Gesicht übergroß wirkenden Augen. Sie zuckte zusammen, als sei sie aus einem Traum erwacht.
»Wo ist der König?« fragte sie. »Ich will ihn sehen. Ich gehe nicht eher von hier weg, als bis ich ihn gesehen habe. Wo ist er? Sagt es mir.«
»Ich weiß es nicht, Madame.«
»Ihr wisst es ganz bestimmt! Ihr wisst es…«
In einer Regung des Mitleids ergriff Angélique die mageren, eisigen Hände, die sich ihr entgegenstreckten.
»Ich schwöre Euch, dass ich es nicht weiß. Ich habe den König seit... ich weiß nicht, seit wann nicht mehr gesehen, und ich versichere Euch, dass er sich so gut wie gar nicht um mich kümmert. Es ist töricht, in einer solch kalten Nacht hier sitzenzubleiben.«
»Das sage ich Louise immerzu«, seufzte die kleine Schwägerin. »Sie ist völlig erschöpft, und ich bin’s auch. Aber sie ist eigensinnig.«
»Habt Ihr denn im Dorf kein Zimmer zugewiesen bekommen?«
»Freilich, aber sie wollte auf den König warten.«
»Das ist wirklich zu albern!«
Angélique packte die junge Frau energisch beim Arm und zwang sie aufzustehen. »Zunächst werdet Ihr Euch aufwärmen und ausruhen. Mit solchem Gespenstergesicht könnt Ihr doch dem König nicht unter die Augen treten.«
In dem Hause, in dem für die Favoritin eine Unterkunft bereitgestellt worden war, hieß sie die Lakaien ein Feuer anfachen und eine Wärmflasche zwischen die klammen Laken legen; dann bereitete sie einen Kräutertee und brachte Mademoiselle de La Vallière mit resoluter Gelassenheit zu Bett, gegen die diese nicht aufbegehrte. Als sie unter den Decken lag, die Angélique zusätzlich angefordert hatte, wirkte sie ungemein zart. Das Beiwort »abgezehrt«, das ein bissiger Pamphletist vor kurzem auf sie angewandt hatte, schien nicht übertrieben. Ihre
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