Angelique und der Koenig
Knochen traten unter der zarten Haut hervor. Sie war im siebten Monat einer Schwangerschaft, der fünften in sechs Jahren. Sie war erst dreiundzwanzig, hatte einen strahlenden Liebesroman hinter sich und ein tränenreiches Leben vor sich. Noch im Frühjahr hatte Mademoiselle de La Vallière als Amazone einen letzten blendenden Auftritt gehabt. Heute war sie kaum mehr zu erkennen, so gründlich hatte sie sich verändert.
»Dahin also kann die Liebe zu einem Mann eine Frau bringen«, sagte sich Angélique, und ihr Zorn erwachte von neuem. Sie setzte sich ans Bett und nahm die schmächtige Hand der Favoritin, an der die Ringe allzu locker saßen, zwischen ihre kräftigen und festen Hände.
»Ihr seid so gut«, flüsterte Louise de La Vallière.
»Obwohl man mir sagte, dass der König…«
»Warum hört Ihr auf das, was man sagt? Ihr macht Euch unnütz Kummer. Ich kann mich gegen die bösen Zungen nicht wehren. Ich bin wie Ihr…«
Fast hätte sie hinzugefügt: »Genauso töricht wie Ihr. Ich diente ungewollt als Wandschirm.« Doch wozu? Warum ihre Eifersucht in eine andere Richtung lenken? Sie würde früh genug einen Verrat entdecken, der sie schmerzlicher berühren würde als alle anderen, da ihre beste Freundin ihn beging.
»Schlaft jetzt«, flüsterte sie. »Der König liebt Euch.«
Aus Mitgefühl versicherte sie das einzige, was den Schmerz dieses zerrissenen Herzens zu lindern vermochte. Louise lächelte bitter.
»Er beweist es mir schlecht.«
»Wie könnt Ihr das sagen? Hat er Euch nicht eben erst seine Zuneigung durch Titel und Schenkungen bezeigt, die keinen Zweifel daran lassen, dass er Euch wohl will? Ihr seid Herzogin von Vaujoux, und Eure Tochter wird nicht dazu verurteilt sein, im Verborgenen zu leben.«
Die Favoritin schüttelte den Kopf. Tränen rannen aus ihren geschlossenen Augen sanft über ihre Wangen. Sie, die stets unter unsagbaren Schmerzen heroisch ihre Schwangerschaften verborgen, der man die Kinder gleich nach der Geburt genommen und die den Tod ihrer drei Söhne nicht hatte beweinen dürfen, die lächelnd auf den Bällen erschienen war, um die Hofgesellschaft irrezuführen, sie hatte man plötzlich durch einen öffentlichen Akt zur Mutter der Tochter des Königs deklariert, ohne sie auch nur zu befragen. Und hieß es nicht, der Marquis de Vardes werde aus seinem Exil zurückgerufen, um sie auf Befehl des Königs zu ehelichen…?
Die Trostworte, die Ermunterungen, die Ratschläge waren vergeblich. Sie kamen zu spät. Angélique schwieg und hielt nur ihre Hand, bis sie eingeschlafen war.
Als sie zum Hause der Königin zurückkehrte, sah sie Licht im Fenster. Sie musste an die Situation Maria Theresias denken – auch sie wartete auf den König, kam auf tausend qualvolle Vermutungen und hatte ihn in den Armen der La Vallière geglaubt, während diese im darunterliegenden Stockwerk die halbe Nacht hindurch vor Kälte und vergeblichem Warten vergangen war. Wozu den Namen der wirklichen Rivalin hinausschreien? Nur um einen weiteren Tropfen Gift in das finstere Gebräu zu schütten? Madame de Montespan hatte allen Grund, so unbesorgt in ihrem Heunest zu schlafen. Sie wusste – sie hatte es immer gewusst –, dass Madame du Plessis nicht sprechen würde.
Charleroi, Armentières, Saint-Vinoux, Douai, Oudenarde, Courtrai fielen wie Kartenhäuser. Der König und die Königin von Frankreich wurden unter Baldachinen mit feierlichen Ansprachen der Schöffen empfangen. Danach begaben sie sich durch teppichbelegte Straßen zum Tedeum in eine jener alten Kirchen des Nordens aus steinernem Filigran, deren Turmspitzen den lastenden Himmel zu durchbohren scheinen. Zwischen zwei Tedeums erschütterte der Krieg in einer kurzen Zuckung den Horizont mit seinen Kanonen- und Musketenschüssen. Die Garnisonen wagten zuweilen blutige Ausfälle. Doch die Spanier waren wenig zahlreich, und vor allem lag Spanien fern. Von jeglichem Nachschub abgeschnitten und unter dem Druck der Einwohner, die nicht gewillt waren, um des Ruhmes willen die Schrecken der Hungersnot zu erdulden, ergaben sie sich.
Der Sommer kam mit Hitze und Trockenheit. Der Rauch der Mörser stieg in kleinen Wölkchen zum klaren Himmel empor. Mademoiselle de La Vallière war in Compiègne geblieben. Die Königin mit ihren Damen stießen wieder zur Armee. Zu ihrer Verwunderung bemerkten sie bei ihrer Ankunft im Lager ein mit glitzernden Eisbrocken beladenes Fuhrwerk, das von drei finster dreinblickenden Schnapphähnen in geflickten Uniformen und mit
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