Angelique und der Koenig
Tischen gespielt. Einzig die monotonen Annoncen der Spieler und das Klingen der aufgehäuften Ecus störten das galante Gemurmel, dem das Spiel vortrefflich Deckung bot. Auch die Königin schien vergnügt. In ihre Freude, den Perlen ihrer Krone eine weitere Stadt hinzufügen zu können, mischte sich eine intimere Genugtuung. Mademoiselle de La Vallière nahm an der Reise nicht teil. Auf Befehl des Königs war sie in Versailles geblieben. Bevor er ins Feld gezogen war, hatte Ludwig XIV seiner Mätresse durch einen vom Parlament gebilligten Akt das in der Touraine gelegene Herzogtum Vaujoux geschenkt, ebenso die Baronie Saint- Christophe, zwei in Anbetracht ihrer Erträgnisse und Lehnsrechte gleichermaßen bedeutsame Gebiete… Und er hatte die Tochter anerkannt, die sie ihm geschenkt hatte, die kleine Marie-Anne, die einmal Mademoiselle de Blois werden sollte. Doch diese auffallenden Gunstbezeigungen täuschten niemand, nicht einmal die Beschenkte selbst. Es war ein Abschiedsgeschenk. Die Königin sah darin eine Rückkehr zur Ordnung, gewissermaßen die Liquidierung der Irrtümer der Vergangenheit. Und als wolle er sie in dieser Überzeugung bestärken, überschüttete sie der König mit Aufmerksamkeiten. Sie war an seiner Seite, wenn man in eine Stadt einzog, und teilte mit ihm die Sorgen und Hoffnungen des Feldzugs. Eine leise Beklemmung freilich presste der Monarchin das Herz zusammen, als ihr Blick auf das Profil der Marquise du Plessis-Bellière fiel, in die, wie man ihr sagte, der König neuerdings vernarrt sei. Eine sehr schöne Frau, das ließ sich nicht leugnen. Ihr klarer Blick hatte etwas Ernstes, ihre Bewegungen waren von einer zugleich verhaltenen und unmittelbaren Anmut. Maria Theresia bedauerte das Misstrauen, das man in ihr geweckt hatte. Diese Dame hatte ihr gefallen. Sie hätte sie gern zu ihren Vertrauten gezählt. Aber Monsieur de Solignac behauptete, sie sei eine leichtfertige und gottlose Frau, und Madame de Montespan sagte ihr nach, sie leide an einer Hautkrankheit, die sie sich in einem zweifelhaften Milieu zugezogen habe, in dem sie aus Lasterhaftigkeit verkehre. Konnte man je dem Anschein trauen? Sie wirkte so gesund und frisch, und ihre Kinder waren so schön! Wenn der König sie zu seiner Mätresse machte – welcher Verdruss! Und welcher Kummer! Würde ihr armes Herz denn nie zur Ruhe kommen?
Angélique ahnte, wie peinigend ihre Gegenwart für die Königin sein musste, und nutzte die erste Gelegenheit, sich zu entfernen. Das dem Herrscherpaar vom Bürgermeister zur Verfügung gestellte Haus war eng und unbequem. Die Kammerzofen und die vornehmsten Hofkavaliere waren notdürftig in ihm zusammengepfercht, während der Rest des Hofs und die Armee bei der Einwohnerschaft Quartier bezogen hatten. Dank dem guten Empfang war die Bevölkerung Gewalttätigkeiten und Plünderungen entgangen. Man brauchte nicht zu nehmen, da so bereitwillig gegeben wurde. Der Lärm der Lieder und des Gelächters drang gedämpft bis ins Innere des mangelhaft beleuchteten Hauses, in dem es noch nach der pikardischen Torte duftete, jener riesigen, mit Sahne und Eiern überzogenen Lauchpastete, die drei Damen der Stadt auf einer silbernen Platte überreicht hatten.
Zwischen Kisten und Koffern sich hindurchwindend, stieg Angélique die Treppe hinauf. Das Zimmer, das sie zusammen mit Madame de Montespan als Quartier gewählt hatte, befand sich zur Rechten. Die Zimmer des Königs und der Königin lagen zur Linken. Eine kleine, schmale Gestalt richtete sich unter dem Öllämpchen auf, und ein schwarzes Gesicht mit emailweiß schimmernden Augen zeichnete sich im trüben Licht ab.
»Nein, Médême, nix hereinkommen.«
Angélique erkannte den Negerknaben, den sie Madame de Montespan geschenkt hatte.
»Guten Abend, Naaman. Lass mich vorbei.«
»Nein, Médême.«
»Was gibt’s?«
»Jemand…«
Hinter der Tür vernahm sie zärtliches Geflüster und schloss auf ein galantes Geheimnis.
»Schon gut. Ich gehe.«
Die Zähne des kleinen Ebenholzpagen schimmerten in einem verschmitzten Lächeln.
»Der König, Médême. Der König... Pst!«
Nachdenklich stieg Angélique wieder die Treppe hinunter.
Der König... und Madame de Montespan…
Einundzwanzigstes Kapitel
Am nächsten Morgen ging es weiter nach Amiens. Nachdem sich Angélique in aller Frühe angekleidet hatte, begab sie sich zur Königin, wie es ihr Amt verlangte. An der Tür fand sie Mademoiselle de Montpensier in größter Aufregung vor.
»Seht Euch an, in welchem Zustand
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