Angelique und der Koenig
Monsieur de Vivonne ihn verwöhnt und bei jeder Gelegenheit mit Süßigkeiten überschüttet. Aber einem achtjährigen Jungen kommt es nicht zu, über sein Schicksal zu bestimmen. Ich bin unschlüssig…«
Philippes Brauen hoben sich in einem Ausdruck des Erstaunens.
»Wollt Ihr, dass er Karriere macht?«
»Ja, aber…«
»Lauter aber!« sagte er ironisch.
Sich förmlich überstürzend, sprach sie weiter:
»Monsieur de Vivonne steht im Ruf eines Wüstlings. Er hat der Sippschaft Monsieurs angehört. Jedermann weiß, was das bedeutet. Ich möchte meinen Sohn nicht einem Manne anvertrauen, der ihn womöglich verdirbt.«
Der Marquis du Plessis hatte einen großen Solitär und zwei weitere Ringe auf seine Finger geschoben. Er ging zum Fenster und ließ ihre Facetten in einem Sonnenstrahl aufglitzern.
»Wem wollt Ihr ihn sonst anvertrauen?« fragte er in seinem trägen Ton. »Dem seltenen Vogel von reinen Sitten, weder ränkevoll noch gleisnerisch, einflussreich beim König, von ihm mit Ehren überschüttet und... den es nicht gibt? Die Lehrzeit des Lebens ist nicht leicht. Den Großen zu gefallen, ist eine schwierige Aufgabe.«
»Er ist sehr jung«, wiederholte Angélique. »Ich fürchte, er könnte Dinge mit ansehen müssen, die ihm die Unschuld rauben.«
Philippe lachte spöttisch auf.
»Wie kann eine ehrgeizige Mutter solche Skrupel haben! Ich war kaum zehn, als Monsieur de Coulmers mich in sein Bett nahm. Und vier Jahre später, als meine Stimme eben offenbart hatte, dass ich zum Mann geworden war, bot mir Madame du Crécy das Asyl ihres Alkovens an – oder richtiger gesagt, sie drängte es mir auf. Sie muss wohl in den Vierzigern gewesen sein... Was meint Ihr, verträgt sich dieser Smaragd mit dem Türkis?«
Angélique fand keine Worte. Sie war zutiefst entsetzt.
»Philippe! O Philippe!«
»Ihr habt recht, es geht tatsächlich nicht. Der Glanz und das Grün des Smaragds sind dem Blau des Türkis abträglich. Ein weiterer Diamant gehört hierher.«
Er warf ihr einen Blick zu und lachte spöttisch.
»Legt doch diese bestürzte Miene ab: Warum fragt Ihr mich um Rat, wenn Euch meine Betrachtungen zuwider sind? Ignoriert einfach, worin die umfassende Erziehung eines jungen Edelmannes besteht, oder tut wenigstens so. Und lasst Eure Kinder zwischen Musterknaben aufwachsen.«
»Ich bin ihre Mutter. Ich kann sie nicht moralisch verkommen lassen. Hat denn Eure Mutter nicht über Euch gewacht?«
»Ach so, richtig, ich vergaß…! Wir haben ja nicht die gleiche Erziehung genossen. Wenn mein Gedächtnis mich nicht trügt, seid Ihr barfüßig bei Kohlsuppe und Gespenstergeschichten aufgewachsen. Unter solchen Verhältnissen kann man sich den Luxus einer Mutter leisten. In Paris, bei Hofe, ist das für ein Kind nicht so selbstverständlich.«
Er kehrte zum Frisiertisch zurück und öffnete weitere Schmuckkästchen. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, nur seinen blonden Kopf, den eine heimliche, lange getragene Bürde zu beugen schien.
»Nackt und schlotternd«, murmelte er, »oft genug hungernd... den Lakaien oder Zofen überlassen, die mich verdarben, das war mein Leben hier in diesem Palais, das ich eines Tages erben sollte. Nur wenn es darum ging, mich vorzuzeigen, dann war nichts schön genug für mich. Die prächtigsten Kleider, der weichste Samt, die feinsten Spitzenkragen, Stundenlang befasste sich der Frisör mit meinem Haar. Doch wenn ich meine Paraderolle ausgespielt hatte, schickte man mich durch die öden Gänge in mein dunkles Kämmerchen zurück. Ich langweilte mich. Niemand nahm sich die Mühe, mir Lesen oder Schreiben beizubringen. Es war eine wahre Erlösung für mich, als ich in den Dienst Monsieur de Coulmers’ treten konnte. Mein hübsches Gesicht hatte es ihm angetan…«
»Ihr kamt zuweilen nach Plessis…«
»Allzu kurze Aufenthalte. Ich musste vor dem Thron erscheinen und um ihn kreisen. Man kommt nur voran, wenn man sich zeigt. Mein Vater, dessen einziger Sohn ich war, hätte mir nie gestattet, in der Provinz zu bleiben. Er war stolz darauf, dass ich so rasch meinen Weg machte... Ich war sehr ungebildet und hatte wenig Verstand, aber ich war schön.«
»Deshalb habt Ihr auch nie die Liebe kennengelernt«, sagte Angélique wie zu sich selbst.
»O doch! Mir scheint, ich habe reiche und vielfältige Erfahrungen auf diesem Gebiet.«
»Das ist nicht Liebe, Philippe.«
Sie war wie erstarrt, traurig und voller Mitleid wie vor einem Menschen, der des Notwendigsten beraubt ist.
»Der Tod des Herzens ist der
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