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Angelique und der Koenig

Angelique und der Koenig

Titel: Angelique und der Koenig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Golon
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legte sie in ihre Kästchen zurück, und nachdem er geläutet hatte, gab er dem Kammerdiener Anweisung, nach dem jungen Cantor zu schicken. Schweigend warteten Angélique und Philippe, bis der Knabe erschien. Cantor hatte einen festen Schritt. Er bemühte sich, die Sporen an seinen Stiefeln klirren zu lassen, denn er kam von der Reitbahn. Was ihn nicht hinderte, seine unentbehrliche Gitarre mitzuschleppen.
»Nun, junger Mann«, sagte Philippe aufgeräumt, »wie man hört, wollt Ihr in den Krieg ziehen?«
Das immer ein wenig verschlossene Gesicht des Jungen hellte sich auf.
»Monsieur de Vivonne hat Euch von unseren Plänen erzählt?«
»Ihr heißt sie gut, wie ich sehe.«
»Oh, Monsieur, mich mit den Türken zu schlagen, das wird herrlich werden!«
»Seht Euch vor. Die Türken sind keine Lämmer. Sie werden sich von Euren Liedern nicht bezaubern lassen.«
»Ich will ja Monsieur de Vivonne nicht begleiten, um zu singen, sondern um auf einem Schiff zu fahren. Ich denke schon lange daran. Ich will aufs Meer!«
Angélique zuckte zusammen, ihre Hände verkrampften sich. Sie sah ihren Bruder Josselin vor sich, seine leuchtenden Augen, hörte ihn leidenschaftlich flüstern: »Ich aber, ich gehe aufs Meer…«
So war also die Zeit der Trennung schon gekommen! Man kämpfte für seine Kinder, beschützte sie, plagte sich in der Erwartung, eines Tages in enger Gemeinschaft mit ihnen leben und sich an ihrer Gegenwart erfreuen zu können. Und dann kam dieser Tag – noch nicht einmal erwachsen, kehrten sie den Rücken und gingen davon.
Die Augen des kleinen Cantor waren klar und hell. Er wusste, was er wollte.
»Cantor braucht mich nicht mehr«, sagte sie sich. »Ich weiß es genau. Er ist mir so ähnlich. Habe ich je meine Mutter gebraucht? Ich bin durch die Felder und Wälder gestreift, ich habe mich mit eigener Kraft durchs Leben geschlagen. In seinem Alter wäre ich nach Amerika gegangen, ohne mich auch nur einmal umzuschauen…«
Philippe legte seine Hand auf Cantors Kopf. »Eure Mutter und ich werden darüber entscheiden, ob es angeht, Euch die Feuertaufe zu geben. Kaum je wird einem Jungen Eures Alters die Ehre zuteil, die Kanonen donnern zu hören. Man muss stark sein!«
»Ich bin stark, und ich habe keine Angst.«
»Wir werden sehen, und wir werden Euch unseren Beschluss wissen lassen.«
Der kleine Bursche verneigte sich ernst vor seinem Stiefvater und ging gemessenen Schrittes hinaus, von seiner Wichtigkeit durchdrungen. Der Marquis nahm aus den Händen La Violettes einen Hut aus grauem Samt, von dem er ein paar Staubkörnchen schnippte.
»Ich werde mit Monsieur de Vivonne reden«, sagte er, »und mich davon überzeugen, ob seine Absichten hinsichtlich dieses Bürschchens sauber sind. Wenn nicht…«
»Lieber möchte ich ihn tot sehen!« rief Angélique heftig.
»Redet nicht wie eine Mutter der Antike. Es passt nicht zu der Welt, in der wir leben. Ich für mein Teil halte Vivonne für einen Ästheten, der in den kleinen Künstler wie in eine Nachtigall vernarrt ist. Er wird es gut bei ihm haben. Und für den Jungen ist es ein günstiges Sprungbrett. Sein Amt wird Euch keinen Sol kosten. Seid also vernünftig und freut Euch.«
Er beugte sich über ihre Hand und küsste sie. Sie suchte seinen fahlen und undurchdringlichen Blick.
»Philippe«, murmelte sie, »das kleine Mädchen von damals ist immer noch da. Ihr wisst es.«
Später, in der rüttelnden Kutsche, die sie in langsamem Trab durch das purpurrot gefärbte abendliche Land nach Saint-Germain brachte, dachte sie an ihn. Sie wusste jetzt, dass es ihre Erfahrungen mit den Menschen waren, die ihr bei Philippe geschadet hatten. Sie wusste zuviel von ihnen. Sie kannte ihre schwachen Stellen, und sie hatte ihn mit oft erprobten Waffen angreifen wollen, während sie und er sich doch nur in der Unberührtheit ihrer jugendlichen Herzen hätten zusammenfügen können. Es war ihnen bestimmt gewesen, einander mit sechzehn Jahren zu begegnen, als sie beide die Zeit der schamvoll verschwiegenen, brennenden Wissbegier durchlebten, des Ahnens der Mysterien in ihrer noch unbefleckten Reinheit, jenes Entwicklungsstadiums, in dem die von ungekanntem Verlangen bezwungenen jungen Körper sich einander nur scheu und schamhaft nähern, sich mit wenigem begnügen, mit einer flüchtigen Berührung der Hände, einem Lächeln, und in dem ein Kuss höchste Wonne bedeutet. War es zu spät, um das verlorene Glück wiederzufinden? Philippe irrte auf verderblichen Wegen, Angélique war zur Frau

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