Angelique und der Koenig
versuchte, Euch als Opfer zu wählen? ›Warum gerade sie?‹ sagte ich zu ihr. ›Weil allein Madame du Plessis-Bellière fähig wäre, mich zu übertrumpfen. Ich will nicht, dass man sagen kann, Euer Majestät habe sich um einer Frau willen von mir abgewandt, die es nicht wert ist.‹ Seht, das ist gewissermaßen ein Beweis, wie hoch sie Euch einschätzt! Sie hielt Euch für naiv genug, um das Spiel unbewusst mitzuspielen. Oder für so tückisch, dass Ihr bewusst darauf eingehen würdet. Sie hat sich getäuscht. Aber es ist nicht recht, mir das kleine Komplott nachzutragen. Weshalb hat es Euch denn so verletzt, Bagatellchen? Ist es eine solche Schande, für die Mätresse des Königs gehalten zu werden? Würde es Euch nicht vielmehr Berühmtheit eintragen? Vorteile? Schmeicheleien?«
Mit liebkosendem Arm zog er sie an sich und hielt sie fest, während er leise auf sie einsprach und in ihrem Gesicht zu lesen versuchte, das die Dunkelheit vor ihm verbarg.
»Euer guter Ruf wäre befleckt, meint Ihr? Nein, nicht bei Hofe. Er würde nur neuen Glanz gewinnen, glaubt mir... Also? Oder soll ich etwa annehmen, dass Ihr Euch schließlich in der Falle fangen ließt? Dass Ihr den Schabernack ernst nahmt…? Ist es das? Enttäuscht?«
Angélique schwieg, die Stirn im Samt des nach Iris duftenden Rockes bergend und das sanfte Umhülltsein durch die Arme genießend, die sie festhielten und ihren Druck verstärkten. Es war lange her, dass sie sich so hatte hätscheln lassen. Wie köstlich, schwach zu sein, sich als Kind zu fühlen und sich ein wenig auszanken zu lassen!
»Ihr, die Ihr einen so klaren Blick habt – Ihr seid einer solchen Täuschung erlegen?«
Sie schüttelte heftig den Kopf, ohne zu antworten.
»Nein, ich wusste es wohl«, sagte der König lachend.
»Und trotzdem – war es nur Komödie? Wenn ich Euch gestehen würde, dass ich Euch nicht ohne Begehren betrachtet habe und dass mir gar oft der Gedanke gekommen ist…«
Angélique löste sich entschlossen.
»Dann würde ich Euch nicht glauben, Sire. Ich weiß, dass Euer Majestät eine andere liebt. Die Erwählte ist schön, nimmt Euch völlig in Anspruch, ist unwiderstehlich und hat nur Vorzüge – abgesehen freilich vom Ärger mit einem argwöhnischen Ehemann.«
»Einem Ärger, der nicht gering ist«, sagte der König mit einer Grimasse. Er nahm von neuem Angéliques Arm und schlenderte mit ihr durch eine Allee gestutzter Taxushecken.
»Ihr könnt Euch nicht vorstellen, was Montespan alles erfindet, um mir zu schaden. Er wird mich noch vor mein eigenes Parlament zerren. Philippe du Plessis ist bestimmt ein bequemerer Ehemann als dieser Eisenfresser. Aber das ist ein Kapitel für sich«, schloss er mit einem Seufzer. Er blieb stehen und fasste sie an beiden Armen, um ihr voll ins Gesicht zu schauen.
»Schließen wir Frieden, kleine Marquise. Euer König bittet Euch demütig um Vergebung. Lasst Ihr Euch nicht erweichen?«
Sie erbebte. Das über sie geneigte Gesicht mit den vollen, lächelnden Lippen, dem heißen Blick zog sie unwiderstehlich an. Jäh raffte sie ihren schweren, rauschenden Rock und lief davon. Doch alsbald stieß sie an die dichte Wand der Taxushecke, die nirgends einen Ausweg ließ. Keuchend lehnte sie sich an den Sockel einer Statue und sah um sich. Sie befand sich in dem kleinen, sammetschwarzen Boskett der Girandole, über dem sich der weiße Federbusch einer von zehn niedrigeren Springbrunnen umgebenen Fontäne abzeichnete, deren Strahlen in schneeigen Bogen in das runde Bassin zurückfielen. Vom Fest drangen nur ferne Klänge an diesen Ort. Hier herrschte die Stille, einzig gestört vom Raunen des Wassers und den sich nähernden Schritten des Königs.
»Kleines Mädchen«, flüsterte er, »warum seid Ihr davongelaufen?«
Aufs neue nahm er sie in seine Arme und nötigte sie, sich wieder an seine wärmende Schulter zu schmiegen, während er seine Wange an ihr Haar lehnte.
»Man hat die Absicht gehabt, Euch Böses anzutun, und Ihr verdientet es nicht. Dabei wusste ich doch, wie grausam die Frauen untereinander sein können. Meine, Eures Monarchen, Pflicht wäre es gewesen, Euch davor zu bewahren. Verzeiht mir, kleines Mädchen.«
Angélique überkam ein köstliches Gefühl der Schwäche, ihre Gedanken verwirrten sich. Des Königs Züge waren nicht zu erkennen im Schatten seines großen höfischen Huts, einem Schatten, noch dichter als das nächtliche Dunkel, das sie beide einhüllte, während sie seiner leisen einnehmenden Stimme lauschte.
»Die
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