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Angels - Meine Rache waehrt ewig

Angels - Meine Rache waehrt ewig

Titel: Angels - Meine Rache waehrt ewig Kostenlos Bücher Online Lesen
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werden nicht nur seine Stücke und Gedichte lesen, wir werden sie
lernen.
In- und auswendig. Wir werden sie so lesen, wie sie gelesen werden sollten, so, wie Mr Shakespeare – oder wer auch immer sie aus unserer heutigen Sicht geschrieben hat – wollte, dass sie gelesen werden. In diesem Seminar gehen wir davon aus, dass sie von William Shakespeare stammen. Wenn Sie zu den Francis-Bacon-Freaks zählen, die der Überzeugung sind, dass er sie verfasst hat, obwohl er nicht besonders viel Zeit dazu gehabt hätte, oder zu den Edward-de-Vere- oder gar Christopher-Marlowe-Fans, wenngleich Letzter vermutlich schon 1593 das Zeitliche gesegnet hat und demnach die Feder unter Shakespeares Namen in der toten Hand geführt haben müsste, wenn Sie also annehmen, dass nicht Shakespeare der Verfasser ist …« – er deutete auf den rückwärtigen Teil des Raumes – »da ist die Tür. Ich weiß, es gibt den Ansatz, dass der arme, ungebildete Shakespeare unmöglich etwas so Anspruchsvolles, so Fundiertes über die Oberschicht, über Italien und die ganzen Themen geschrieben haben kann. Ich weiß auch, dass manche Akademiker der Annahme sind, seine Werke seien in Wirklichkeit von einer ganzen Gruppe von Leuten verfasst worden. Wir werden jede Menge lebhafte Diskussionen über Shakespeares Werk führen, verstehen Sie mich nicht falsch, aber das ganze ›Hat er das nun geschrieben oder nicht?‹-Theater ist tabu. Es ist mir egal, wer es geschrieben hat. Das ist ein Thema für ein anderes Seminar. Mich interessiert nur, was Sie von dem Werk halten.« Er ging um seinen Schreibtisch herum und lehnte sich mit der Hüfte dagegen. »Ich gehe davon aus, dass Sie alle per E-Mail einen Unterrichtsplan bekommen haben. Wenn nicht, überprüfen Sie bitte sorgfältig Ihren Posteingang oder Ihre Spam-Mails, und wenn wirklich nichts eingegangen ist, rufen Sie mein Büro an und ich schicke Ihnen den Plan noch einmal. Die meisten Aufgaben bekommen Sie übers Internet, und aus diesem Grund haben Sie auch alle eine allsaints.edu-Adresse bekommen. Wenn nicht, wenden Sie sich bitte an das Studentensekretariat. Das ist nicht mein Problem.
    Für diejenigen von Ihnen, die ihren Unterrichtsplan noch nicht angeschaut haben: Sie werden sehen, dass wir mit
Macbeth
beginnen. Warum?« Sein Lächeln wirkte ein wenig verschlagen. »Was gibt es Besseres, als das Jahr mit Hexen, Prophezeiungen, Blut, Geistern, Schuld und Mord zu beginnen?«
    Er besaß jetzt jedermanns Aufmerksamkeit und wusste es. Er schaute über die sichtlich gefesselten Studenten, ließ den Blick von einem andächtigen Gesicht zum nächsten wandern und nickte. Seine Augen trafen auf Kristi und hielten ihren Blick für den Bruchteil einer Sekunde fest. War es Einbildung, oder hatte er sie ein wenig länger angeschaut als die anderen?
    Das konnte nicht sein.
    Sicher nur eine Täuschung, die am Licht lag.
    Und trotzdem. Sein Grinsen schien sich ein wenig zu verändern, bevor er sich von ihr abwandte, als trüge er ein tiefes Geheimnis in sich. Ein intimes Geheimnis.
    »Im Übrigen«, fuhr er mit seiner tiefen Stimme fort, »entscheide ich in diesem Seminarraum, was wir machen. Ich mag
Macbeth.
Also …« Er klatschte in die Hände, und das halbe Seminar zuckte zusammen. Wieder das wissende Lächeln. »Lassen Sie uns anfangen.«
     
    »Kristi!« Sie eilte zielstrebig die Stufen zur Bibliothek hinauf, als sie ihren Namen hörte. Ihr rutschte das Herz in die Hose. Sie kannte die Stimme. Als sie sich umdrehte, erblickte sie ihre ehemalige Zimmergenossin, mittlerweile Assistant Professor Lucretia, die mit wehendem schwarzem Mantel und einem Schirm in der Hand auf sie zueilte. Der Himmel drohte seine Schleusen zu öffnen, der Wind frischte auf, und das Letzte, was Kristi jetzt wollte, war mit Lucretia auf dem Campus ein Schwätzchen zu halten. »Hey, warte!«
    Es gab kein Entkommen.
    Kristi blieb stehen. Lucretia, ganz außer Atem, rannte fast, um sie einzuholen. »Ich muss mit dir reden«, sagte sie ohne Einleitung.
    »Tatsächlich?«
    Lucretia ignorierte Kristis Ironie. »Hast du ’ne Minute Zeit?« Andere Studenten, die Köpfe vor dem Wind gebeugt, eilten über die Asphalt- und Pflasterwege, die die Rasenfläche kreuzten. Manche waren mit dem Fahrrad unterwegs, manche zu Fuß, und einer raste mit dem Skateboard an ihnen vorbei. »Wir könnten ins Studentenwerk gehen und einen Kaffee oder Tee oder was auch immer trinken.« Sie wirkte ernst. Besorgt.
    »Ich habe um elf ein Seminar am anderen Ende

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