Angels - Meine Rache waehrt ewig
Zeit würde schon noch kommen. Er konnte warten. Er hatte keine Wahl. Alles, was geschehen würde, war bereits entschieden.
Ihm wurde heiß, als er daran dachte, wie er sie nehmen würde, und er blickte auf die Fotos vor sich auf der Tischplatte.
Obwohl sie nichts davon ahnte, würde sich Kristi Bentz schon bald ihren Schwestern anschließen …
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5.
D as war es also, wovon sie alle sprachen, dachte Kristi, als sie am ersten Semestertag in dem brechend vollen Seminarraum Platz nahm. Es war acht Uhr morgens am ersten Montag des neuen Jahres. Die meisten der Studenten sahen aus, als wären sie gerade eben aus dem Bett gefallen.
Stühle scharrten über den Fußboden, Füße schlurften, Stimmen plapperten, während aus hoch oben an den Wänden des hörsaalähnlichen Raums angebrachten Lautsprechern die sanften Klänge von Renaissancemusik ertönten. Die Sitzreihen waren auf abfallenden Ebenen angebracht, die trichterförmig auf ein Podium in der Mitte zuliefen. Darauf standen ein abgenutzter Tisch, ein Stehpult und ein Mikrofon. Ein Stapel Bücher und eine geöffnete Heftmappe mit drei Blättern lagen nebem einem Laptop auf dem Tisch.
Ein Mann Mitte bis Ende dreißig, vermutlich Dr. Victor Emmerson, stand bereits über seine Notizen gebeugt da. Er trug Jeans und eine abgewetzte schwarze Lederjacke über einem weißen T-Shirt, in dessen Rundhalsausschnitt eine Spiegelsonnenbrille steckte. Seine dunkelbraunen Haare waren zottelig und sahen aus, als hätte er sie seit dem Vortag nicht gekämmt. Ein mehr als drei Tage alter Bartschatten bedeckte sein kräftiges Kinn. Er wirkte so ganz anders als die spießigen Lehrer, an die sie sich aus ihrer ersten College-Zeit vor ein paar Jahren erinnerte.
Emmerson kratzte die Bartstoppeln an seinem Kinn, während er die Seiten durchblätterte, finster auf sein eigenes Gekritzel blickte und nur aufsah, wenn sich die Tür öffnete und ein weiterer Student eintrat und sich nach einem freien Platz umschaute.
Die verbliebenen Sitzplätze waren rar und lagen weit auseinander.
Dieses Shakespeare-Seminar war überraschend beliebt, und Kristi vermutete, dass die Faszination vielmehr etwas mit dem coolen Professor als mit dem Dichter oder seinem Werk zu tun hatte. Sie stellte ihren Laptop auf das Pult, um sich Notizen machen zu können, und betrachtete prüfend die anderen Studenten, von denen ihr einige bekannt vorkamen. Mai Kwan, ihre Nachbarin, hatte ein paar Reihen vor Kristi an der Vorderseite des Raumes Platz genommen, zwei der jungen Frauen, die zusammen mit Lucretia im Diner gewesen waren, saßen nebeneinander in der Nähe der Fenster. Der Knaller aber war, dass direkt vor Seminarbeginn Hiram Calloway hereingeschlendert kam, Kristis Möchtegern-Apartmentverwalter. Sie wandte sich rasch ab und hoffte, dass er nicht den freien Platz neben ihr bemerkt hatte. Zum Glück fand er ein anderes Pult im hinteren Teil des Raumes.
Gut.
Die Tür schlug hinter Hiram zu, und Emmerson blickte auf die Uhr an der Wand. Dann drückte er einen Knopf hinter dem Stehpult und stellte die Musik ab. Er streckte sich, umfasste sämtliche Seminarteilnehmer mit einem langen Blick und sagte: »Okay, ich bin Professor Emmerson, und das ist das Shakespeare-Seminar für fortgeschrittene Semester. Wenn Sie sich nicht dafür eingeschrieben haben, gehen Sie bitte wieder und machen Sie Platz für die, die sich noch einschreiben möchten. Diejenigen von Ihnen, die nur teilnehmen, weil sie gehört haben, das Seminar sei leicht und garantiere Ihnen eine gute Note, sollten besser ebenfalls gehen.«
Keiner rührte sich. Die Teilnehmer waren still, nur das Ticken der Uhr war zu vernehmen.
Ein Handy piepste laut, und Emmersons Blick richtete sich auf den Studenten mit der Baseball-Kappe, der hektisch in seiner Tasche herumtastete.
»Das ist der nächste Punkt. Keine Handys im Seminarraum, und damit meine ich nicht nur das Klingeln. Wenn ich mitbekomme, dass irgendwo eins vibriert, oder wenn irgendjemand auf das Display blickt, um eine SMS zu lesen oder auch nur nach der Uhrzeit zu sehen, kann er verschwinden. Automatisch ungenügend. Wenn Ihnen das nicht passt, sollten Sie das Seminar abbrechen. In diesem Seminarraum gibt es keine Demokratie. Ich bin der König, okay? Genau wie die Könige, die wir durchnehmen werden, nur, wie ich hoffe, nicht ganz so eigennützig.« Er machte eine kurze Pause und fuhr dann fort: »Wir werden den guten alten Willi unter die Lupe nehmen, wie Sie es noch nie getan haben. Wir
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