Angor - Schatten der Vergangenheit (Kriminalroman)
diesen Schritt. Sein erhofftes Leben in Saus und Braus konnte er nicht mehr richtig ausleben. Vielleicht war es auch der Mauerbau 1961, der ihn völlig verzweifeln ließ. Vielleicht hat er den Absprung, in den Westen zu gehen, einfach nur verpasst? Denn zum Neujahr 1962 hat er sich in den Wäldern um den Scharmützelsee den Kopf weggeschossen.
Da war er neunundsechzig, vielleicht wollte er ja auch älter werden und es wurde ein wenig nachgeholfen?
Bleibt die Frage, woher stammte das Geld für seine Investments? Vorm Krieg war er nicht sonderlich vermögend. Sein Vater betrieb in Dresden eine kleine Glaserei, also viel Substanz war auch dort nicht vorhanden.
Denk du meine Gedanken zu Ende !«
»Ja, ich denke … aber weiter, das war doch noch nicht alles - oder ?«
»Ehrlich gesagt doch, zumindest was den Oberst betrifft. Viel mehr war nicht in Erfahrung zu bringen. Er war nicht mal zwei Jahre mit einer sehr jungen Russin, einer Nichte von Amatov verheiratet. Aus dieser Ehe gingen keine Kinder hervor.
Es gibt noch entfernte Verwandte im Großraum Dresden, von denen hat aber keiner nach der Wiedervereinigung irgendwelche Ansprüche an ein mögliches Erbe gestellt. Das einzig Ungewöhnliche an Otto Rüters Leben waren seine vielen Girokonten.
Als er starb, lagen auf fünf verschiedenen ungefähr vierhunderttausend Euro herum.
Bei seinen Bezügen und seiner späteren Pension ist es nur schwer nachvollziehbar, wie er das zusammengespart haben soll?
Otto hinterließ kein notariell beglaubigtes Testament. Aber eine kurze handschriftliche Verfügung, woraus hervorging, dass sein Neffe ihn beerben solle. Wie erwähnt, wurde dann vom Nachlassgericht der Enkel als einziger Verwandter ausfindig gemacht. Deren Aufgabe ist es nicht, zu prüfen, ob das Vermögen auch ehrlich zusammengerafft wurde. Sein Enkel hat, nachdem er die freudige Nachricht einer unverhofften Erbschaft erhielt, seinen Rechtsanwalt losgesandt, den Nachlass zu regeln. Rechtsanwalt Seibel hat sich bei unserem Amtsgericht wie die Axt im Walde aufgeführt. Das habe ich vom zuständigen Nachlasspfleger, Herrn Rudolph. Also wenn du wissen willst, was in seinem Schließfach bei der Bollard-Bank lag und sich in seinem Nachlass so alles befand, musst du dich bei den beiden erkundigen.
Nun als Letztes und das ist noch mysteriöser als die Infos über die beiden anderen Haudegen. Eure Aufzeichnung aus der Bank war nicht zu gebrauchen, also bin ich mal zur Autovermietung am Flughafen gefahren und habe mir eine Kopie der vorgelegten Ausweispapiere aushändigen lassen. Schau ihn dir mal an .«
H.J. Balke drehte seinen Minicomputer zu Henry herum und zeigte ihm eine Kopie des Führerscheins.
Henry war nun sehr gespannt und las laut vor:
»Ein Südafrikaner namens Rodger van Dyck?
Ja sicher!
Das sind doch gefälschte Papiere oder ?«
»Ja oder eher nein, das ist es ja.
Meiner Meinung nach sind das originale Ausweispapiere und keine gefälschten. So wird es auch mit der hinterlegten Kreditkarte sein. Ich wollte erst mit dir darüber reden, wie wir nun weiter verfahren. Wenn ich den Typ beim BKA durch den Computer jage, muss ich es begründen, dass würde ich schon hinbekommen. Zu schnelles Fahren, mögliche Fahrerflucht oder Ähnliches.
Aber wenn er irgendein Geheimagent, also ein Psycho mit offiziellem Auftrag ist, wird er davon erfahren, dass jemand hinter ihm her forscht.
Und ob das hier angebracht ist, bezweifle ich. Wenn du meinen Rat annehmen willst, lasse es nun gut sein.
Deinem Neffen und seiner bezaubernden Frau geht es wieder gut, du solltest keine schlafenden Hunde wecken und es auf sich beruhen lassen. Nicht, dass ihm einfällt, unsere schöne Stadt noch einmal aufzusuchen. Echt Henry, da liegt vielleicht irgendwo ein toter Hund begraben. Egal warum auch immer jemand sein Fell haben will, lass es ihm!«
»Du hast ja recht, irgendwie wusste ich ja auch, dass nicht viel bei rauskommen würde. Ich habe es nur nicht gern, wenn irgendjemand Hand an meiner Familie anlegt.
Und das, was du so in Erfahrung gebracht hast, lässt schon reichlich Spielraum für Spekulationen. Wahrscheinlich hat der Oberst den Deportierten in Frankreich ihr Hab und Gut abgenommen. So würde sich auch sein Nachkriegsvermögen gut erklären. Vielleicht hat Otto Rüter etwas abbekommen. Aber da waren sicherlich noch andere dran beteiligt. Es ist auch heute noch äußerst befremdlich, über solche Dinge nachzudenken. Und Beweise gibt es doch nach so langer Zeit
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